Vor Palästina-Anerkennung: Israel enttäuscht

Die Israelis sind enttäuscht - sie konnten viele westliche Staaten nicht überzeugen, dass der UNO-Vorstoß der Palästinenser in die falsche Richtung gehe. In Israel beklagt man, dass die Palästinenser schon seit Jahren Verhandlungen verweigern und nun dafür noch belohnt würden. Ein richtiger Palästinenserstaat könne nur durch eine ausgehandelte Friedenslösung entstehen.

Mittagsjournal, 29.11.2012

"Demütigende Niederlage"

Schon vor der Abstimmung heute Abend in New York gibt es in Israel lange Gesichter. Vor zwei Tagen begannen die schlimmsten israelischen Befürchtungen wahr zu werden, als plötzlich ein europäisches Land nach dem anderen, darunter auch Österreich, mitteilte, es werde den palästinensischen Antrag bei der UNO unterstützen. Die Medien sprechen von einer demütigenden Niederlage, von einem Zusammenbruch der diplomatischen Kampagne. Von Anfang an war es selbstverständlich gewesen, dass die Palästinenser in der UNO-Vollversammlung eine überwältigende Mehrheit hinter sich haben würden. Die Israelis wollten aber erreichen, dass es bloß bei der so genannten "automatischen Mehrheit" bleibt – also bei den arabischen, muslimischen, kommunistischen und Dritte-Welt-Ländern, die ohnehin immer für die Palästinenser stimmen. Gekämpft wurde um einen moralischen Sieg im kleinen Kreis der westlichen Demokratien, aber auch den werden jetzt die Palästinenser davontragen – nur die USA und Kanada halten sicher zu Israel.

Bestärkung von Abbas' Kurs

Die Israelis wissen dabei nicht, wie ihnen geschieht. Israel bittet die Palästinenser seit Jahren, Verhandlungen aufzunehmen, sagt Zalman Shoval, ein früherer israelischer Botschafter in Washington, doch die Palästinenser wollen offenbar keine einvernehmliche Lösung: "Deshalb haben sie alles gemacht, um Verhandlungen zu vermeiden, erstens mit verschiedenen Vorbedingungen, die weder Israel noch die USA akzeptieren konnten, und dann, wenn das nicht geht, geht man zur UNO und versucht, Tatsachen zu schaffen, ohne mit Israel zu verhandeln - das kann zu nichts Positivem führen." Und Shoval glaubt auch nicht, dass der Prestigegewinn durch die UNO-Anerkennung Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dazu bewegen würde, Verhandlungen aufzunehmen, im Gegenteil: " Abbas würde zu den Palästinensern gehen und sagen, schaut, ich habe nichts aufgegeben, ich hab keine Kompromisse gemacht, und wir sind schon einen Schritt weiter, wir sind halbwegs ein Staat, ohne den Israelis irgendetwas nachzugeben."

Israel im Dilemma

Wie es nach dem UNO-Votum weitergeht, scheint ohnehin niemand zu wissen. Monatelang hatte Israel harte Reaktionen in Aussicht gestellt. Der Abgang vom Verhandlungsweg sei ein Bruch der Abkommen, hatte es geheißen, man werde deshalb vielleicht den Transfer von Geldern an die Palästinensische Behörde stoppen, oder ein großes Siedlungsprojekt beginnen, oder gar das Westjordanland annektieren. Jetzt sind die Israelis viel stiller geworden – sie ziehen den Kopf ein und warten darauf, dass der Sturm sich legt. Das Dilemma ist klar: Der Alleingang von Abbas ärgert die Israelis, aber wenn sie Abbas durch Sanktionen schwächen, haben sie auch nichts davon.

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