Syrien kappt das Internet

Wer in einem Krieg die Bilder des Krieges kontrolliert, hat einen unschätzbaren propagandistischen Vorteil. So ist es auch beim Bürgerkrieg in Syrien. Jeden Tag erreichen uns Gräuelbilder von beiden Seiten des Konflikts. Doch seit gestern ist Syrien - zumindest virtuell - von der Außenwelt abgeschottet, die Internetverbindung ins Ausland ist gekappt. Und auch die internationalen Telefonleitungen funktionieren nur noch gelegentlich. Die Bürgerkriegsparteien geben einander gegenseitig die Schuld.

Morgenjournal, 1.12.2012

Gekappt in wenigen Minuten

Wer bei einem Krieg die Kontrolle über die Bilder hat die nach außen gelangen kann vieles zum eigenen Vorteil manipulieren. So ist es auch beim Bürgerkrieg in Syrien. Jeden Tag haben uns Gräuelbilder von beiden Seiten des Konflikts erreicht. Doch jetzt ist das Land - zumindest virtuell abgeschottet. Die komplette Internetverbindung ins Ausland ist gekappt. Und auch die internationalen Telefonleitungen funktionieren nur mehr sporadisch. Die Konfliktparteien schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Robert Uitz berichtet.

Wenn die Leitungen plötzlich nicht mehr funktionieren dann ist das erfahrungsgemäß ein ganz schlechtes Zeichen. Als in Ägypten das Internet abgedreht wurde hat das Regime versucht einen großen Schlag durchzuführen ohne dass die Bilder gleich um die Welt gehen.

Das dürfte jetzt auch in Syrien der Fall sein. Zwar beschuldigt die Regierung die Rebellen - sie hätten die Haupt Internet Kabel Verbindungen zerstört - aber das ist sehr unwahrscheinlich - vor allem wenn man sich den Zeitablauf anschaut. Aaron Kaplan von der Internet Sicherheits-Agentur Cert.at ist gerade auf der Internet Sicherheits-Konferenz deepsec, die derzeit in Wien stattfindet. Er analysiert mit anderen Experten gemeinsam die Daten. Die Netze in Syrien sind innerhalb von Minuten verschwunden.

Innerhalb von drei Minuten wurde quasi eine Verbindung nach der Nächsten abgeschaltet. Wäre ein Hauptverbindungskabel attackiert worden, dann wäre nicht das ganze Netz ausgefallen - denn Syrien ist durch vier Kabel mit dem Internationalen Netz verbunden. Der letzte Anbieter der noch am Netz war - ein indisches unternehmen - ist dann wenige Stunden später nicht mehr erreichbar gewesen. Damit kommen keine Daten mehr von und nach Syrien.

Auch Telefon betroffen

Die Art und Weise des Vorgangs erinnert an die Abschaltung des Internets in Ägypten. Auch dort wird, wie in Syrien, das Netz von einer zentralen Telekom-Stelle aus verwaltet. Dort könne man einfach anrufen und abschalten.

Noch einfacher geht das Ganze mit dem Telefonnetz. Wenn man also davon ausgeht, dass das herrschende Regime alle Verbindungen ins Ausland gekappt hat stellt sich die Frage warum? Der wahrscheinlichste Grund ist dass man verhindern will, dass ständig Videos von Kämpfen in der Welt zu sehen sind. Und dann natürlich auch, dass die Aufständischen Internet und Telefon zur Koordination brauchen. Das Militär hingegen hat eigene Kommunikationsnetze.

Zwei Möglichkeiten gibt es jetzt noch zumindest ein paar Daten aus Syrien heraus zu bekommen. Die eine ist per Satelliten-Telefon - die zweite per terrestrischem Telefon - das ist zwar auch größtenteils abgeschaltet - aber hin und wieder gehen noch anrufe durch - und dann könnte man sich per Modem verbinden. Das ist zwar ein Geduldspiel - aber besser als nichts, so Aaron Kaplan.

Bilder oder gar Videos sind über diese Methode aber kaum zu übertragen. Und so wird der Bürgerkrieg auch immer mehr ein Krieg der Informationshoheit.

Übersicht

  • Naher Osten
  • Medien