Italien: Konservative Berlusconis im Chaos

In Italien geht in dreieinhalb Monaten die Zeit der Notregierung der Professoren um Mario Monti zu Ende. Das linke Lager, das am Sonntag seinen Spitzenkandidaten wählt, hat zur Zeit starken Rückenwind und liegt in den Umfragen zur Parlamentswahl vorne. Anders das rechte Lager von Ex-Premier Silvio Berlusconi. Die Zahlen sind im Keller und seine Partei "Volk der Freiheit" versinkt im Chaos. Dies, weil der 76-jährige Cavaliere jeden dritten Tag die Rolle, die er künftig spielen will, von neuem überdenkt.

Mittagsjournal, 1.12.2012

Bleibt er, oder geht er?

"Ich bin schon weg", das kennt man auch in Österreich. Und dann war er doch nicht weg. Vor genau fünf Wochen hat hier in Italien Silvio Berlusconi seinen Rückzug aus der Politik angekündigt, aus Liebe zu Italien, wie er unterstrich. Parteiinterne Vorwahlen sollten entscheiden, wer nach ihm sein "Volk der Freiheit" in die Parlamentswahlen führen soll. Zwei Tage später verurteilt ein Gericht den Medientycoon wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft. Ein "politisches Urteil!" wütet Berlusconi: Ich sehe mich gezwungen im Spiel zu bleiben, erklärt er zutiefst gekränkt und ruft aufgebracht zu einer Pressekonferenz, wo er klarstellt: keine Kandidatur als Premierminister, aber er müsse bleiben, um die Justiz zu reformieren, denn Italien sei keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur der Richter.

Berlusconi bleibt in irgendeiner Form, kandidiert aber nicht. Die Partei bereitet also weiter ihre Vorwahlen vor. Je deutlicher aber Berlusconis Kornprinz, Angelino Alfano, zum Favoriten des Rennens wird, desto weniger gefällt Berlusconi die ganze Veranstaltung, er kommentiert sie abschätzig - und schließlich sickert durch: Berlusconi bastelt an einer ganz neuen eigenen Partei, mit der er es noch einmal versuchen will.

Bestürzung und Streit unter den Seinen: Da sind die, die ohne ihn Nichts sind, und sich an ihn klammern. Die, die ohne ihn weiter machen, und das, was vom "Volk der Freiheit" bleibt, retten wollen. Und der Parteiflügel rechtsaußen, die Postfaschisten, die überlegen, eigene Wege zu gehen.

Schlechte Umfragewerte

Die Umfragewerte sind schlecht, die Nerven liegen blank und in den Talkshows geraten sich Berlusconis politische Geschöpfe in die Haare: Wenn einer Stimmen bekommt, dann bin ich das, soll der Cavaliere den Seinen gesagt haben. Maximal 15 Prozent geben ihm die Meinungsforscher. Es heißt, er prüfe ununterbrochen Umfragen. Was ist besser? Für Monti? gegen Monti? ein Coup mit einer nagelneuen Berlusconi-Partei? Oder ein Restyling des verbrauchten "Volks der Freiheit"? Dann müssten seine Möchtegern-Nachfolger wieder zurück in die zweite Reihe, die Vorwahlen würden abgeblasen.

Noch liegt dichter Nebel über allem: ein mehrfach angekündigtes Coming-Out wurde auf kommende Woche verschoben. Bis dahin steht auch der Spitzenkandidat im gegnerischen Linken Lager fest.

In welcher Formation auch immer - ziemlich sicher wird Berlusconi einen Schlachtruf nicht erneuern: dass er sein Land vor einer kommunistischen Übernahme retten muss. Retten will Berlusconi aber vor allem sich selbst: seine Unternehmen gehen schlecht, es drohen weitere Verurteilungen wegen Steuerbetrugs und Korruption, und ein Urteil wegen Prostitution Minderjähriger im Strafprozess "Ruby".