Justizskandal schockiert Argentinien
Die argentinische Bevölkerung ist empört: Eine Frau engagiert sich unter Einsatz ihres Lebens gegen Zwangsprostitution und befreit Hunderte aus der Sexsklaverei. Mutmaßliche Menschenhändler werden vor Gericht gestellt - aber sie werden entgegen allen Erwartungen freigesprochen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.12.2012
Tochter entführt
Vor zehn Jahren hat sich das Leben der argentinischen Hausfrau Susana Trimarco schlagartig geändert. Auf dem Weg zum Arzt wird ihre 23-Jährige Tochter Marita Verón entführt und später zur Prostitution gezwungen - wie tausende Frauen in Argentinien. Doch Maritas Mutter gibt nicht auf. Sie gibt sich als Zuhälterin aus und beginnt nach ihrer Tochter zu suchen. Seitdem hat sie hunderte Frauen aus der Zwangsprostitution befreit und das Ausmaß der Sexsklaverei öffentlich gemacht. Nur ihre eigene Tochter hat sie bis heute nicht gefunden. Verdächtige gibt es aber. In den vergangenen Monaten sind die 13 mutmaßlichen Menschenhändler vor Gericht gestanden. Ein Schuldspruch schien nur noch Formsache. Jetzt sind die Angeklagten aber freigesprochen worden. Das ganze Land ist geschockt.
"Urteil ist Schande"
"Die Unschuld der Angeklagten konnte nicht ausreichend widerlegt werden" - mit dieser Begründung wurden sechs Frauen und sieben Männer, die der Entführung und Begünstigung der Prostitution angeklagt waren, von den drei Richtern Alberto Piedrabuena, Emilio Herrera Molina und Eduardo Romero Lascano freigesprochen worden. Argentiniens Bevölkerung steht unter Schock: "Die Botschaft der Richter ist verheerend. Niemals hätten wir gedacht, dass es zu einem Freispruch kommen würde."
150 Zeugen wurden gehört, darunter sieben ehemalige Leidensgenossinnen von Marita Verón. Ihre Mutter Susana Trimarco, kämpft seit zehn Jahren unermüdlich gegen nachlässige Behörden. Um ihre Tochter zu finden, hat sie sich schließlich selber als Prostituierte ausgegeben und sich auf diese Weise Zugang zu den Bordells verschafft. Über 1.300 junge Frauen konnte sie auf diese Weise befreien. Von ihrer Tochter fehlt jedoch nach wie vor jede Spur. Nach dem Urteilsspruch erklärte Susana Trimarco: "Das Urteil der Richter ist eine Schande, Betrug. Für uns endet heute eine Phase in unserem Kampf und morgen beginnt ein neuer Kampf."
Zuspruch von Präsidentin
Es ist der Kampf gegen ein korruptes System. Trimarco versichert, es seien Bestechungsgelder geflossen. So soll jeder der drei Richter 2 Millionen Dollar bekommen haben, zitierte sie aus einem Schreiben, das ihr kurz vor der Urteilsverkündung von einem Insider der Justiz von Tucumán zugespielt worden sei. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner sprach nach der Urteilsverkündung persönlich mit Susana Trimarco: "Ich habe Susana gesagt, sie könne immer auf mich zählen. Sie meinte, keine Sorge Präsidentin, denn ich werde meinen Kampf fortsetzen. Und ich sage Dir Susana, wir werden Dich von hier aus unterstützen. Doch nicht genug der Worte. Die Gesellschaft verlangt nach einer Demokratisierung der Justiz."
Richter, Polizisten, Politiker - im Falle, Marita Verón, haben sie ein korruptes Netz gesponnen, das die Justiz, in diesem Fall, in der Provinz Tucuman zu einem Spielball in ihren Händen hat werden ließ. Die heute 13-Jährige Micaela und ihre Großmutter sind entschlossener denn je, die Suche nach Marita Verón fortzusetzen. Alle Indizien weisen darauf hin, dass sie womöglich mittlerweile nicht mehr in Argentinien verweilt: "Ich stehe hier stärker als je zuvor und habe vor keinen Mafias dieser Welt Angst." Weltweit erfahren Susana Trimarco und ihre Enkelin Micaela Zuspruch. Michelle Obama rief sie persönlich an, um sie ins Weiße Haus nach Washington einzuladen.