Strasser-Richter: "Präventive Strafe"

Der frühere Innenminister - "der oberste Polizist Österreichs", wie seine Lebensgefährtin vor Gericht gemeint hatte - und spätere ÖVP-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Ernst Strasser, ist gestern zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden, er legt Berufung ein. Für den Richter war das Vergehen der Bestechlichkeit erwiesen. Er wollte mit dem Urteil auch ein Zeichen setzen.

Morgenjournal, 15.1.2013

"Generalpräventive Strafe"

"Wenn die Korruption ganz oben beginnt, dann besteht für die Justiz Handlungsbedarf": So formulierte es Richter Georg Olschak in seiner Urteilsbegründung. Für das Strafausmaß sei dieser Faktor besonders erschwerend gewesen. "Die hohe Stellung, in der Sie Bestechlichkeit begangen haben", so der Richter. "Das europäische Parlament ist das höchste Gesetzgebungsorgan dieses Kontinents, weiter hinauf geht die Karriereleiter nicht mehr, und die Materien, in denen Sie Gesetzesänderungen gegen Geld in Aussicht gestellt haben, sind durchaus heikle Angelegenheiten, nämlich Anlegerschutz und Umweltschutz." Korruption und Freunderlwirtschaft seien keine Neuerscheinung, so der Richter, aber: "Was neu ist, ist die unverschämte Offenkundigkeit, mit der dies praktiziert wird." Früher sei Korruption in Hinterzimmern von Konditoreien praktiziert worden, sagt der Richter wohl in Anspielung auf den berüchtigten Club 45 um Udo Proksch. "Heute geben sich Lobbyisten im europäischen Parlament offenbar die Klinke in die Hand und merken gar nicht, auf welch schmalem Grat sie sich bewegen, zwischen strafbaren und moralisch verwerflichen Handlungen. Um diesen Grat aufzuzeigen, bedarf es einer generalpräventiven Strafe." Auch die Anwendung der elektronischen Fußfessel schließt das Urteil aus demselben Grund explizit aus.

Wenn man sich Strassers Verantwortung vor Gericht ansieht, so wäre es wohl schwer gewesen zu argumentieren: ich bin korrupt, ich habe mich bestechen lassen, nachdem der Fall aufgeflogen ist, so die Überlegung des Richters. Dass eine solche Verantwortung politischen Druck bedeutet hätte, sei klar. Also musste ein Plan B her, man erfindet irgendeine Geschichte in der Hoffnung, dass Ihnen diese Version jemand abnimmt. Doch das ist Ihnen nicht gelungen.

Instanzenzug und neue Urteile

Strassers Verteidiger hat Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet, das Urteil ist also nicht rechtskräftig. Jetzt muss der Richter das Urteil schriftlich ausfertigen, dann kann der Verteidiger dagegen berufen, anschließend geht der Fall in die nächste Instanz zum Obersten Gerichtshof. Vergleicht man es mit anderen Fällen, so können bis dahin noch einige Monate vergehen.

Unterdessen stehen in den nächsten Wochen einige andere Korruptionsaffären auf dem Gerichtsfahrplan: der Fall Telekom, die Causa Immofinanz und übermorgen könnte es bereits im Prozess gegen Alfons Mensdorff-Pouilly zu einem Urteil kommen.