Streit über "EU-Wasserrichtlinie"
Seit gestern der Binnenausschusses des Europaparlaments einer neuen EU-Richtlinie seine erste Zustimmung gegeben hat, die die Konzessionsvergabe von Städten und Gemeinden regelt, warnen Kritiker vor einer angeblich drohenden Privatisierung der Wasserversorgung. Dagegen versichern die Befürworter, dass es lediglich um europäische Regeln gehe, wenn eine Gemeinde öffentliche Dienstleistungen auslagert.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 25.1.2013
Mehr Konkurrenz
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier beteuert es unermüdlich: Die geplante neue Konzessionsrichtlinie enthalte keinerlei Verpflichtung an die Gemeinden, ihre Wasserwerke zu privatisieren. Aber wenn eine Stadt eine Konzession ausschreibt, um Dienstleistungen auszulagern, dann will Barnier einheitlichere Regeln, die in ganz Europa gelten. Tatsache ist, dass Berlin und Paris, London und sogar das österreichische Klagenfurt in der Vergangenheit immer wieder Teile ihre Wasserversorgung an teils private Außenfirmen ausgelagert haben. Die Hälfte der Wasserversorgung in Europa wird von privat-öffentlichen gemischten Unternehmen gesichert. In solchen Fällen soll grenzüberschreitende Konkurrenz leichter möglich sein, meinte in der gestrigen Abstimmung im Binnenausschuss des Europaparlaments die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten.
Kritik an "Verunsicherung"
Die Europaabgeordneten von ÖVP und SPÖ sprechen sich gegen die Konzessionsrichtlinie aus. In der ORF III Diskussionssendung "Inside Brüssel" gab es trotzdem einen Schlagabtausch zwischen SPÖ-Europaabgeordnetem Josef Weidenholzer und ÖVP-Europaabgeordnetem Richard Seeber: "Man darf die Menschen nicht verunsichern. Und zu sagen, die Europäische Kommission will die Privatisierung durch die Hintertür einführen, ist eine solche Verunsicherung." Die Replik des SPÖ-Europaabgeordneten Josef Weidenholzer: "Es ist richtig, wenn diese Richtlinie so käme, dass es über die Hintertür dazu führt. Ich kann Ihnen Briefe der Kommission zeigen, wo man konkret Druck macht, in Griechenland zum Beispiel." Seeber entgegnet, dass in Griechenland der Druck nicht von der Kommission, sondern von nationalen Vertretern gekommen sei. Die Privatisierung kommunaler Wasserwerke in Portugal und Griechenland ist eine Folge der verzweifelten Suche der öffentlichen Hand, Mittel zum Schuldenabbau zu finden.
Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung
Den Vorwurf der Privatisierung durch die Hintertür leiten die Kritiker aus der im Richtlinienentwurf vorgesehen Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung ab. Ein Liberalisierungsschub in bisher weitgehend öffentlichen Bereichen wäre möglicherweise die Folge. Interessant sind die unterschiedlichen Sensibilitäten in verschiedenen EU-Ländern, die keinem simplen Rechts-Links-Schema entsprechen. Italienische Linke sehen in der Konzessionsrichtlinie einen Fortschritt. Sie versprechen sich einen verbesserten Kampf gegen Korruption und mafiöse Strukturen im Umfeld der Gemeinden. Deutsche CDU-Europaabgeordnete sind dagegen, weil viele Bürgermeister in ihrem Einzugsgebiet europaweite Ausschreibungen für viel zu bürokratisch halten.
Nach der Zustimmung des Binnenausschusses wird im März die erste Abstimmung im Plenum des Europaparlaments erwartet. Für eine endgültige Entscheidung muss auch der Rat der Mitgliedsstaaten zustimmen.