Friedrich Achleitner über Bogdan Bogdanovic

Ein Landschafts-Bauwerk, das nicht in Österreich, sondern im Bosnischen Mostar zu finden ist, steht heute im Mittelpunkt unserer Serie: eine Partisanennekropole, die 1965 von Bogdan Bogdanovic entworfen wurde.

  • Partisannenkropole Mostar

    Partisannenkropole Mostar

    (c) Architekturzentrum Wien

  • Bogdan Bogdanovic‘ Mahnmal für die jüdischen Opfer des Faschismus (1952)

    (c) Anna Soucek

  • Bogdan Bogdanovic‘ Mahnmal für die jüdischen Opfer des Faschismus (1952)

    (c) Anna Soucek

  • Bogdan Bogdanovic‘ Mahnmal für die jüdischen Opfer des Faschismus (1952)

    (c) Anna Soucek

  • Bogdan BogdanovicMahnmal für die jüdischen Opfer des Faschismus (1952)

    (c) Anna Soucek

  • Bogdan Bogdanović steht auf Grabstein

    (c) Anna Soucek

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Der Architekt, Künstler und Schriftsteller Bogdan Bogdanovic wurde 1922 in Belgrad geboren und ist 2010 in Wien, wo er mit seiner Frau im Exil lebte, verstorben. Knapp 20 Memoriale im ex-jugoslawischen Raum hat Bogdanovic gebaut. An einer umfassenden Publikation über die unkonventionellen, phantastischen Gedenkstätten arbeitet derzeit der Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner. Er hat alle bis auf eine besucht - bis auf eine bei Belgrad, die er dieser Tage besichtigen wird.

Kulturjournal, 11.03.2013

Friedrich Achleitner hat einen Grundsatz: Er schreibt nicht über Architektur, die er nicht im Original gesehen hat. Deshalb ist er ganz Ex-Jugoslawien abgefahren und hat jede einzelne Gedenkstätte des Architekten Bogdan Bogdanovic besichtigt und fotografiert. "Das sind ganz lebendige Anlagen", meint Achleitner, wo die Kinder spielen.

Die erste Besichtigungsreise führte Achleitner 2002 nach Südserbien, damals noch mit dem Architekten selbst und mit dem Ö1 Redakteur Peter Lachnit, der die Begehung für die Sendereihe "Diagonal" dokumentierte. Der Denkmalpark Popina von 1981 enthält eine Abfolge von steinernen, geometrischen Formen.

Antinationalistische Haltung

Obwohl Achleitner seit den 1960er Jahren regelmäßig Jugoslawien bereiste, machte er erst 1998 in Wien Bekanntschaft mit Bogdan Bogdanovic und seinem Werk. Er beschreibt den 2010 verstorbenen Bogdanovic als beeindruckende Persönlichkeit: "Er war unglaublich offen und hat nichts Doktrinäres gehabt."

Bogdan Bogdanovic entstammte einer aufgeschlossenen, intellektuellen Belgrader Familie. Er sprach fünf Sprachen fließend und behielt - in allen politischen Situationen - konsequent seine antinationalistische Haltung bei. Bekannt mit den französischen und den jugoslawischen Surrealisten, entwickelte Bogdanovic einen eigenwilligen, freien Zeichenstil - als "automatisiertes vor sich hin Fantasieren" beschreibt das Friedrich Achleitner. Auch im hohen Alter, als ihm die Sprache langsam abhanden kam, zeichnete Bogdanovic viel. In einem Interview von 2009 sagte der damals 86-Jährige, er sei "in der Zeichnung zuhause".

Kultureller Austausch mit dem Westen

Sein erster Auftrag für eine Gedenkstätte war ein Mahnmal für die jüdischen Opfer des Faschismus, das 1952 auf dem sephardischen Friedhof in Belgrad gebaut wurde. Unter Tito, als Jugoslawien sich von der Sowjetunion distanzierte, wurde ein vergleichsweise offener Kulturbegriff geführt und der kulturelle Austausch mit dem Westen geduldet. "Als getaufter Surrealist hat er zu Frankreich Beziehungen gehabt", sagt Achleitner, "und hat sich abgewendet von sozialistischem Realismus."

Wege, Stelen, Hügel, Terrassenanlagen und Treppen sind wiederkehrende Elemente in den Gedenkanlagen des Bogdan Bogdanovic. Archaische Formen hat der Architekt auf neuartige und kluge Weise eingesetzt, ohne eine Interpretation von Symbolen einzufordern, so Achleitner. Die Anlage in Mostar, ein Friedhof für über 800 Partisanen, die im Kampf gegen die deutschen Besatzer gefallen sind, besteht aus Terrassen, aus Wasserflächen und lose aufgelegten Grabsteinen.

"Mostar ist insofern wahnsinnig eindrucksvoll, weil mich das an antike Stätten erinnert hat - die Terrassen, das Wasser, die Terrassenwände, die die Topographie übernehmen, der Wald, der Blick auf die Stadt", so Achleitner. "Der Kontakt der Totenstadt mit der lebendigen Stadt."

Kriegsvergangenheit unübersehbar

Im serbischen Cacak errichtete Bogdanovic 1980 einen Denkmalpark mit drei tempelartigen Skulpturen, die mit phantasievollen Figuren versehen sind. Eine Anekdote über dieses Werk veranschaulicht, welch gutes Verhältnis er mit seinen Arbeitern hatte: Aus Angst vor Arbeitslosigkeit wurden immer mehr und mehr Köpfe gebaut. Am Ende waren es mehr als 600.

Teilweise war es umständlich, die Mahnmale zu besuchen, erzählt Achleitner, und auch gefährlich. Im bosnischen Travnik wurde er gewarnt, dass das Gelände vermint sein. Und in der geteilten kosovarischen Stadt Kosovska Mitrovica verweigerten selbst KFOR-Mitarbeiter, ihn zum im serbischen Stadtteil situierten Mahnmal zu begleiten.

Die letzte ausständige Station ist Bela Crkva, ein kleiner Ort bei Belgrad. "Das ist ganz ein kleines Dorf, 100 Kilometer von Belgrad entfernt", sagt Achleitner, aber: "Man muss es gesehen haben, und das machen wir jetzt."

Demnächst gibt Friedrich Achleitner ein Buch über die eindrucksvollen Memoriale von Bogdan Bogdanovic heraus. Die Werke von Bogdan Bogdanovic stehen in Serbien, in Kroatien, in Bosnien, Montenegro und in Herzegowina. Einige sind gut erhalten, andere wiederum verfallen. Manche wurden attackiert und durch Geschosssalven zerstört - eine weitere Ebene der Erinnerung an Kriegsopfer.