Kosovo: Serbien unter Zugzwang

Am Dienstag ist in Brüssel die vorläufig letzte Runde der Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo gescheitert. Nicht überbrückt werden konnten unterschiedliche Positionen zu den Kompetenzen, die ein Verband der serbischen Gemeinden im Kosovo haben soll. Serbien steht jetzt unter Zugzwang, auch in Richtung des angestrebten EU-Beitritts.

Mittagsjournal, 6.4.2013

Aus Belgrad,

Die EU hat Serbien bis Dienstag Zeit gegeben, doch noch einzulenken und damit auch die Chance auf einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu wahren. Eine Entscheidung in Belgrad ist offensichtlich noch nicht gefallen, doch es steht wohl Spitz auf Knopf, ob die serbische Staatsführung bereit sein wird, den Verlust ihrer ehemaligen Provinz nun auch de facto zu akzeptieren.

Streit über Machtbefugnisse

Im Kosovo leben etwas mehr als 120.000 Serben; zwei Drittel davon in sechs Gemeinden südlich des Flusses Ibar, eingebettet in eine Mehrheit von zwei Millionen Albanern. Nördlich des Ibar leben in vier Gemeinden mehr als 40.000 Serben, aber nur einige Hundert Albaner. Im Norden dominieren serbischen Recht und kriminelle Strukturen, die sich nach dem Kosovo-Krieg etablierten. Die schrittweise Überführung des Nordens unter kosovarische Hoheit sollte Belgrad in Brüssel ebenso akzeptieren wie die große Eigenständigkeit, die die Kosovo-Verfassung serbischen Gemeinden einräumt. Doch Belgrad forderte für den Verband der zehn serbischen Gemeinden Zuständigkeiten auch bei Polizei und Justiz; das lehnten der Kosovo, EU und USA ab; zu groß ist die Angst vor einem unregierbaren kosovarischen Staatswesen. Was für Serbien ohne Einlenken auf dem Spiel steht, erläutert in Belgrad Jelena Milic vom Zentrum für Euro-Atlantische Studien:

„Wenn wir uns von der EU-Integration verabschieden, ist für die Serben im Nord-Kosovo nichts gewonnen. Dann werden die EU-Polizeimission EULEX und die Institutionen des Kosovo versuchen, die Herrschaft des Rechts auf dem ganzen Territorium des Kosovo herzustellen, und zwar mit Unterstützung der Westmächte. Das wird zwar ein langsamer Prozess sein, doch daran wird Serbien nicht beteiligt werden, wenn es sich von den Verhandlungen verabschiedet.“

Fraglich ist, ist welchem Ausmaß Belgrad die Serben im Norden überhaupt kontrolliert, die sich ein Leben unter albanischer Vorherrschaft einfach nicht vorstellen wollen. Natürlich finanziert Serbien dort Schulen, Gemeinden und Krankenhäuser, doch Straßenblockaden und Ausschreitungen gegen EULEX und die Friedenstruppe KFOR dürften wohl kriminelle Strukturen finanziert haben, die von der weitgehenden Rechtlosigkeit am meisten profitieren. Trotzdem ist der Einfluss der Kosovo-Serben begrenzt; entscheidend für die Haltung Serbiens wird sein, wer den Machtkampf in der stärksten Regierungspartei SNS gewinnt. Gegen ein Einlenken ist offenbar der amtierende Staatspräsident Tomislav Nikolic, der als ehemaliger SNS-Chef noch über großen Einfluss in der Partei verfügt. Eher für die Annahme des Plans von Pristina und Brüssel ist der amtierende SNS-Vorsitzende, der stellvertretende Regierungschef und Verteidigungsminister Alexander Vucic. Beide haben eine ultranationalistische Vergangenheit, doch Vucic wandelte sich zu einem Politiker, der erkannt hat, dass Serbien seine katastrophale wirtschaftliche und soziale Lage ohne EU nicht überwinden kann. Alexander Vucic:

„Eine Ablehnung dieses Plans, so schlecht er auch ist, bedeutet, dass für Serbien die Tore zur Welt versperrt werden, das bedeutet dann auch weniger Geld für unser Budget und unsere Wirtschaft. Andererseits stellt sich die Frage, wie unser Volk im Kosovo reagiert, sollten wir dem Plan zustimmen. So befinden wir uns einfach zwischen Hammer und Amboss.“

Der Machtkampf soll bei der Sitzung des Parteipräsidiums der SNS am Montag entschieden werden. Siegt die Vernunft, werden SNS und Serbien die bittere Kosovo-Pille schlucken; bei 25 Prozent Arbeitslosigkeit, 12 Prozent Inflationsrate und rasant steigender Staatsschuld sollte kein Raum mehr für historisch falsche Beschlüsse vorhanden sein.