70 Jahre Warschauer Ghetto-Aufstand
Mit einem Festakt wird heute in Warschau des 70. Jahrestages des Aufstands im Warschauer Ghetto gedacht. Inmitten des Siedlungsgebiets, das nach dem Krieg auf dem Gelände entstanden ist, wird jetzt das größte jüdische Museum Europas errichtet.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 19.4.2013
Gedenkkonzert
Aus Protest gegen eine neue Massendeportation von Bewohnern des Ghettos begannen am 19. April 1943 bewaffnete Kämpfe, die fast einen Monat gedauert haben. Die Revolte wurde brutal niedergeschlagen, das Ghetto von den Nazis dem Erdboden gleichgemacht.
Manche Besucher kommen jedes Jahr hier her, zum sogenannten Umschlagplatz. Es ist der einzige Teil des Warschauer Ghettos, den man heute noch sehen kann. Von hier gingen die Deportationen in die Vernichtungslager. 1943 wollte der Widerstand eine weitere Welle nicht zulassen. An diesem Umschlagplatz fand vergangene Nacht ein Gedenkkonzert statt, und dort hin wird es heute Vormittag im Rahmen der Feier einen Gedenkzug geben. Er beginnt bei einem Gebäude, das heute mitten im alten Ghetto eröffnet wird: dem Museum der polnischen Juden. Eine der ersten Besucherinnen ist Erica Fischer, Autorin der Weltkriegs-Liebesgeschichte "Aimee und Jaguar" und Enkelin von Großeltern, die deportiert worden sind: "Es rührt mich auch, dass die Polen seit einiger Zeit endlich begonnen haben, sich mit der Vergangenheit dieses Landes auseinanderzusetzen, und zwar jetzt auch mit der jüdischen Vergangenheit."
Verdrängte Geschichte?
Ihre Freundin, Katarzyna Weintraub, ist freiwillig gegangen, lange nach dem Krieg. Sie emigrierte 1968 aus Polen, in einer Welle der antijüdischen Propaganda, die in diesem Museum auch nicht ausgespart wird: "Ich war damals Studentin, und ich konnte es kaum glauben, dass man in meinem Polen nach dem Krieg wieder eine anti-jüdische Hetze machen kann und die Menschen instrumentalisiert, um den latenten Antisemitismus aufzuwecken."
Stellt sich Polen dieser Geschichte zu spät? Wird verdrängt, wie sehr das jüdische Leben Polen geprägt hat? Der namhafte Publizist Adam Krzeminski ist Optimist und sieht ein Wiedererwachen: "Die Tradition des alten Vielvölkerstaates ist zunehmend da. Aber der Widerstand der Nationalisten ist natürlich auch da."
Zurück zu den Wurzeln
Wie stark war oder ist der Antisemitismus in Polen? Diese Frage wurde durch den ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter", in denen polnische Widerstandskämpfer als Antisemiten dargestellt werden, neu angeheizt. Es gab sogar politischen Protest aus Polen. Völlig zurecht, findet der ansonsten kritische Publizist Adam Krzeminski: "Eine Bombe der Gedankenlosigkeit, ohne Kopf und Verstand." Aber die Geschichte ist das eine, die Zukunft das andere. Die kleine jüdische Gemeinde Polens wächst wieder. Und es sind vor allem die Jungen, die zu diesen Wurzeln zurückkehren wollen.
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