Erinnerungen von Marek Edelman

Die Liebe im Ghetto

Im Warschauer Ghetto wurden 500.000 Juden gemartert. Umso erstaunlicher ist es, dass Marek Edelman, einer der Anführer des jüdischen Widerstands von 1943, auch von bewegenden Momenten der Liebe mitten im Grauen berichten kann.

Der Aufstand

Marek Edelman war 20 Jahre alt, als deutsche Soldaten sein Heimatland Polen besetzten. Das war am 1. September 1939. In Warschau richteten die deutschen Behörden ein Sammellager für polnische und deutsche Juden ein, das Warschauer Ghetto. Es diente hauptsächlich als Sammellager für die Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka und war als solches Teil der organisierten Massenvernichtung.

Genau vor 70 Jahren, am 19. April 1943, brach im Warschauer Ghetto ein Aufstand los. Einer der Kommandeure war Marek Edelman. Er konnte nach der Niederschlagung entkommen und kämpfte später beim Warschauer Aufstand auf der Seite der Polen gegen Hitlers Armee.

Im April 1943 begann der Aufstand. Knapp einen Monat dauerte der Kampf von Marek Edelmann und seinen Gefährten gegen die deutsche Übermacht, bis die Rebellion von SS-Truppen niedergeschlagen wurde. Im Mai 1943 verließ Edelman das Warschauer Ghetto mit den restlichen Widerstandkämpfern durch die Kanalisation. Seine Aufzeichnungen über die Kämpfe und die Beteiligung des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes veröffentliche er bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs unter dem Titel "Das Ghetto kämpft". Nun sind mit "Die Liebe im Ghetto" weitere Erinnerungen Edelmans erschienen, aufgezeichnet von einer Freundin, der Autorin Paula Sawicka.

Mit den Kindern sterben

Marek Edelmann berichtet von den Kämpfen im Ghetto, vom Aufstand der polnischen Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer, vor allem aber vom Alltag im Ghetto. In 14 Kapiteln hat Paula Sawicka die teilweise bruchstückhaften Erinnerungen Edelmans zusammengefasst. Selbst unter den schlimmsten Bedingungen war die Hingabe und Verbundenheit der Menschen im Ghetto nicht zu vernichten. Das zeigt etwa die Geschichte von Roza Ejchner und Hendusia Himelfarb, zwei Erzieherinnen in einem Sanatorium für tuberkulosekranke Kinder. Im Rahmen der Terroraktion verlegten die Nationalsozialisten alle Kinder aus dem Sanatorium ins Warschauer Ghetto. Am folgenden Tag wurden sie in das Vernichtungslager Treblinka abtransportiert.

Episodenerzählungen

Marek Edelman verschafft vielen seiner Weggefährten - den Kämpfenden und Liebenden - kurze, aber beeindruckende Auftritte. Eine durchgängige Erzählung darf man sich von "Die Liebe im Ghetto" jedoch nicht erwarten. Vieles bleibt nur angerissen, einige Episoden am Ende offen. Ein historischer Kommentar wäre an vielen Stellen sicher hilfreich, um das Erzählte in einen geschichtlichen Kontext einordnen zu können. Die erschütternden Begebenheiten, die Marek Edelman in diesem Buch erzählt hat, stehen oft alleine, sprechen aber dennoch für sich.

Marek Edelman thematisierte in seinen Gesprächen mit Paula Sawicka durchaus, dass es sich um seinen subjektiven Blick auf die Geschichte handelt und nicht um eine historische Wahrheit. "Muss man die Erinnerung durch den Filter des heutigen Wissens fließen lassen?" Eine Frage, die nicht nur Marek Edelman beschäftigte. Sie wird heute in der Geschichtsforschung im Zusammenhang mit Zeitzeugen immer wieder gestellt. Auch deswegen hat Marek Edelman seine Erinnerungen lange für sich behalten. Erst 2008 hat er sich dazu entschlossen, sein Wissen und seinen Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus für nachfolgende Generationen festzuhalten. Und so resümiert der Widerstandskämpfer kurz vor seinem Tod selbstkritisch:

Service

Marek Edelman, "Die Liebe im Ghetto", aufgeschrieben und mit einem Vorwort von Paula Sawicka, aus dem Polnischen übersetzt von Joanna Manc, Schöffling Verlag

Schöffling Verlag