Asylwerber: Todesnachricht per Handy-Video

Besonders tragisch hat sich das Leben eines der Votivkirchenflüchtlinge entwickelt, der vom Khyber-Pass, einer Taliban-Hochburg im afghanischen-pakistanischen Grenzgebiet, stammt. Ihn hat im Servitenkloster die Nachricht erreicht, dass in den vergangenen drei Monaten sein Vater, seine Mutter und seine Geschwister durch Taliban und pakistanische Einheiten getötet wurden.

Mittagsjournal, 24.4.2013

Todesnachricht per E-Mail

Seit einem Monat muss der 21-jährige Walid schwere Psychopharmaka nehmen. Helfer und andere Flüchtlinge im Servitenkloster betreuen ihn intensiv, wollen verhindern, dass er sich etwas antut. Beim Interview merkt man ihm den Medikamenteneinfluss an und sein Trauma: "In meiner Familie gibt es niemanden mehr. Mein Cousin hat mit berichtet, alle sind tot. Der Vater ist schon im Jänner getötet worden und jetzt auch meine Schwester, mein Bruder und meine Mutter."

Im Jänner seien sein Vater und viele andere Stammesführer in einen Taliban-Hinterhalt geraten. Ende März dann seien bei einem Angriff pakistanischer Einheiten die Mutter und die Geschwister, 18 und acht Jahre alt, ums Leben gekommen. Diese Nachricht - erhalten per E-Mail von einem Cousin - hat dramatische Szenen im Servitenkloster-Quartier ausgelöst, erzählt ein anderer Votivkirchenflüchtling: "Er hat seinen Kopf immer wieder gegen die Wand geknallt. Und dann ist er losgerannt. Fünf von uns haben versucht ihn festzuhalten, es war fast unmöglich. Bis er weinend zusammengebrochen ist und dann starr im Bett lag."

50.000 auf der Flucht

Die Familie des 21-jährigen Walid stammt vom strategisch wichtigen Khyber-Pass im Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan. Die Kontrolle über das Gebiet hatte jahrzehntelang Walids Volksgruppe, die Afridis, das sind afghanisch-paschtunische Stämme. Aber die Region gehört zum pakistanischen Staatsgebiet. Und in den vergangenen Jahren haben sich Taliban-Gruppen in dem unwegsamen Gelände festgesetzt - auch Osama bin Laden war dort. Vor rund einem Monat hat die pakistanische Armee eine Offensive gegen Taliban-Gruppen gestartet. Ihr sind - ungewollt oder gewollt - auch hunderte Zivilisten aus der nach Unabhängigkeit strebenden Afridi-Volksgruppe zum Opfer gefallen. Mittlerweile sind laut Medienberichten mindestens 50.000 auf der Flucht.

"Gott hat mich gerettet"

Die brutale Gewalt in dem Gebiet zeigen Videofilme auf Walids Handy. Taliban-Kämpfer schneiden zwei Männern bei lebendigem Leib die Köpfe ab. Walid sagt, die Getöteten sind sein Onkel und ein Cousin. Die Videos seien seiner Familie übergeben worden - psychologische Kriegsführung nennt man das wohl. Auch er selbst wäre 2010 beinahe getötet worden: "Wir waren bei einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Karsai. Auf dem Weg wurden wir überfallen. Gott hat mich gerettet, mein Onkel wurde umgebracht."

2011 wurde sein 12-Jähriger Bruder auf dem Heimweg von der Schule auf brutale Weise getötet, auch davon gebe es ein Video. "Ich habe es den österreichischen Asylbehörden übergeben", sagt Walid. Dennoch ist sein Asylantrag in erster Instanz abgelehnt worden. Caritas-Rechtsberater Bernhard Grösel sieht in zweiter Instanz aber gute Chancen.

Von Innenministerium und Asylgerichtshof gibt es zu laufenden Verfahren keine Auskunft. Klar ist: Falls der 21-Jährige doch noch Asyl bekommt, kann das nur ein kleiner Schritt sein, Trauma und Trauer über den Tod der Angehörigen zu verarbeiten.

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