Fall Timoschenko: Rüge für Ukraine

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Inhaftierung der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko in ihrer Heimat gerügt. Das gab das Gericht bekannt. Timoschenko hatte wegen der Haftbedingungen geklagt, zudem wirft sie der Ukraine vor, das Strafverfahren gegen sie sei politisch motiviert gewesen.

Mittagsjournal, 30.4.2013

Kein Sieg

Das Urteil ist ein Erfolg, aber kein Sieg für Julia Timoschenko, so lässt sich die Erkenntnis der Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg zusammenfassen. Die Verhaftung der früheren Ministerpräsidentin während ihres Strafverfahrens im Jahr 2011 wird als ungesetzlich und willkürlich verurteilt. Der Beschwerde Timoschenkos, sie sei in der Haft misshandelt worden, wird allerdings nicht stattgegeben. Da Timoschenko selbst sich geweigert hätte, sich ärztlich untersuchen zu lassen, sei nicht auszuschließen, dass die blauen Flecken an ihrem Körper andere Ursache als Gewalt durch das Gefängnispersonal haben könnten. Auch der Vorwurf mangelnder medizinischer Behandlung wird zurückgewiesen.

Argumente für beide Seiten

Am meisten schmerzen dürfte Timoschenko, dass der Punkt, auf den ihre Anwälte am meisten gehofften hatten, erst gar nicht behandelt wird, nämlich der Vorwurf, das Verfahren gegen sie sei politisch motiviert gewesen. Eine Reihe von Anträgen, die nicht zu Beginn des Verfahrens eingebracht worden seien, würden erst in einem späteren Verfahren behandelt, heißt es von den der Straßburger Richter, darunter auch der Vorwurf der Politjustiz. Mit diesem Urteil hat Straßburg beiden Seiten neue Argumente geliefert: sowohl Timoschenko und ihren Anhängern als auch der ukrainischen Regierung. Diese hat bereits angekündigt, sie werde das Urteil prüfen und dann entscheiden, ob sie Berufung einlegen wird, dazu haben beide Seiten drei Monate Zeit.

Hindernis für EU-Annäherung

Julia Timoschenko gilt als eine der wichtigsten politischen Gegnerinnen des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, gegen den sie die letzte Präsidentschaftswahl knapp verloren hat. Das Verfahren gegen sie wegen Amtsmissbrauchs wurde von Kritikern als Versuch gewertet, sie mundtot zu machen. Der Fall Timoschenko gilt auch als eine der wichtigsten Hürden bei der Annäherung der Ukraine an die Europäische Union. Die EU hatte deshalb im Herbst die Unterzeichnung des bereits fertig ausverhandelten Assoziationsabkommens mit der Ukraine vorläufig auf Eis gelegt.

Baldige Begnadigung?

Hoffen könnte Timoschenko jetzt auf eine Begnadigung durch Präsident Janukowitsch. Der hatte erst im April den früheren Innenminister Luzenko aus dem Gefängnis entlassen, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Verhaftung ebenfalls verurteilt hatte. Dagegen spricht, dass gerade ein zweites Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Timschenko läuft - solange dieser Fall nicht entschieden sei, könne es auch keine Begnadigung geben, heißt es aus dem Kiewer Präsidentenpalast. Die EU drängt auf jeden Fall weiter auf eine Haftentlassung Timoschenkos. Die von den Timoschenko-Anhängern erhoffte klare Entscheidung, die der Ukraine keine andere Wahl als eine Amnestie gelassen hätte, ist das heutige Urteil der Straßburger Richter allerdings nicht.

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