NSU-Prozess unter türkischer Beobachtung

Der Prozess rund um die deutsch Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wird auch in der Türkei mit Interesse verfolgt. Die Opfer der Neonazis waren überwiegend türkische Migranten. Diese würden nach wie vor zwischen zwei Welten leben, zeigt eine türkische Studie über Arbeitsmigranten und Integration in Europa.

Mittagsjournal, 6.5.2013

Aus der Türkei berichtet ORF-Korrespondent

Probleme bei Zulassung als schlechtes Omen

Die türkische Öffentlichkeit begegnet dem deutschen Neonazi-Prozess mit einigem Misstrauen. Schon die eigenartigen Vorgänge um die Zulassung türkischer Journalisten wurden als schlechtes Omen gesehen. So würde man mit amerikanischer oder französischer Presse niemals umgehen, war immer wieder zu hören.

Dass Türken die bevorzugte Zielscheibe deutscher Neonazis sind, finden ehemalige Gastarbeiter wie Hassan Fettah bedrückend. Gerne wäre Herr Fettah selbst nach Deutschland gefahren, um sich ein Bild von der Reaktion der Öffentlichkeit zu machen. Doch auch ein pensionierter Gastarbeiter, der einst in Deutschland oder Österreich zu Hause war, hat es schwer, überhaupt ein Einreisevisum zu bekommen.

Türkische Migranten zwischen zwei Welten

Doch immer mehr Türken lebten heute de facto gleichzeitig in zwei Welten, sagt eine türkische Studie über Arbeitsmigranten und Integration in Europa: "Die türkischen Gastarbeiter in Europa haben heute so etwas wie eine Mittelklasse gebildet", sagt Professor Murat Erdogan von der Hacettepe Universität in Ankara. "Unsere Leute können ihre Stimme in der Gesellschaft jetzt besser hörbar machen, die Kommunikation hat sich verbessert."

Je jünger die Migranten, desto besser integriert, sagt auch Professor Erdogans Studie. Was aber nicht heißt, dass sich die besonders gut Integrierten auf Lebenszeit für das eine oder andere Land entscheiden wollen.

Türkische Regierung wird Mängel aufzeigen

Den NSU-Prozess werden viele Türken in Deutschland wohl überwiegend aus türkischen Medienberichten verfolgen. Denn, auch das ist ein Ergebnis der Studie, weit über achtzig Prozent der türkischen Migranten informieren sich über türkisch-sprachige Medien. "Die europäischen Medien machen Sendungen, die unsere Leute nicht ansprechen. Es gibt sogar Sendungen, die sie als beschämend oder erniedrigend empfinden", sagt Professor Erdogan.

Auch die türkische Regierung wird den NSU-Prozess verfolgen und sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, eventuelle Mängel kritisch zu kommentieren. Immerhin wird die türkische Justiz auch regelmäßig von der EU gerügt.