Gedenken nach Solingen-Attentat vor 20 Jahren

Am 29. Mai 1993 haben Rechtsradikale das Haus der türkischen Familie Genc in der Unteren Werner Straße in Solingen angezündet. Fünf Mädchen und Frauen sind grauenvoll gestorben. Seither steht Solingen für rassistische Gewalt und bemüht sich mit der Last der Vergangenheit fertig zu werden - auch heute mit einer Trauer- und Gedenkveranstaltung.

Mittagsjournal, 29.5.2013

Rassistische Gewalt nach Wiedervereinigung

Das Bild hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegraben: ein verkohltes Haus mit leeren, schwarzen Fensterlöchern, davor eine kleine Gruppe tief trauriger Menschen und 5 Särge auf einem einfachen Holzgestell. Eine Nachbarin hat damals einem Radiosender geschildert, was sie gesehen hat. Es waren eine Mutter und ihr kleines Mädchen, beide haben den Sprung aus dem Fenster nicht überlebt. Die heute 70jährige Mevlüde Genc hat in der Brandnacht 2 Töchter, 2 Enkelinnen und eine Nichte verloren. Ihre Familie hatte bis dahin schon 20 Jahre lang zufrieden in Deutschland gelebt.

Der Brandanschlag auf das Haus der Familie Genc war bis dahin der grausame Höhepunkt rassistischer Gewaltakte im wiedervereinigten Deutschland: Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen. Brennende Häuser, deutsche Täter oder applaudierende Zuschauer, Schwerverletzte und Tote. Zuwanderer, die damals um ihr Leben fürchten.

Trotzdem geblieben

Nur wenige Wochen vor dem Anschlag in Solingen hatte die deutsche Regierung mit dem sogenannten Asylkompromiss, die Möglichkeiten für Asylwerber in Deutschland stark eingeschränkt. Die vorangegangene, sehr undifferenzierte Debatte hat, da sind sich viele Historiker heute einig, eine Anti-Ausländerstimmung befördert, in der es dann zu den Anschlägen gekommen ist.
Für den Brandanschlag von Solingen wurden 4 junge Männer zu 10 und 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Sie haben ihre Strafen inzwischen abgesessen. Das Haus der Familie Genc wurde nicht wieder aufgebaut, in der Baulücke stehen 5 Bäume zum Gedenken an die Toten. Immer wieder kommen Lehrer wie Christian Hüsgen mit ihren Schulklassen vorbei, besonders natürlich jetzt, rund um den 20. Jahrestag.

Am Nachmittag stellt sich die Stadt Solingen mit einer Gedenkfeier - wieder einmal ihrer traurigen Geschichte. Von Anfang an hat auch Mevlüde Genc dabei geholfen. Sie ist damals nicht weggezogen, sie hat sogar die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und setzt sich immer wieder für die Verständigung zwischen Alteingesessenen - zu denen ihre Familie längst gehört - und Neuankömmlingen ein. Doch die Last der Erinnerung ist für viele Solinger nur schwer zu ertragen, das führt bei manchen auch zu ungerechter Gehässigkeit.

Polizei schaut weg

Und es sollte vor allem nie wieder geschehen. Doch inzwischen ist klar, dass Polizeibehörden und Politik trotz dieser grauenhaften Anschläge die Rechtsextreme Szene in Deutschland weiter unterschätzt haben. Anfang Mai hat in München der Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund begonnen. Mitglieder dieser rechten Terrorzelle konnten jahrelang in Deutschland Menschen mit ausländischen Wurzeln erschießen, weil die Polizei in die falsche Richtung geschaut hat. Statt im rechten Milieu zu ermitteln, haben die Beamten krampfhaft versucht den Opfern kriminelle Machenschaften nachzuweisen. Und das ist keine 20 Jahre her.