Reportage aus der Justizanstalt Josefstadt

Die Berichte über die Vergewaltigung eines 14-jährigen U-Häftlings in der Justizanstalt Wien-Josefstadt hat eine heftige politische Debatte ausgelöst. Wie aber ist die Situation in der Wiener Jugendstrafabteilung wirklich? Das Ergebnis einer Ö1-Reportage: Die Jugendlichen berichten von latenter Gewalt, und die Justizwache wirkt zwar engagiert, ist aber mit der Situation auch nicht zufrieden.

Morgenjournal, 28.6.2013

"Kindheit nachholen"

Man muss durch viele versperrte Tore, um in die Jugendabteilung der Justizanstalt Josefstadt zu gelangen. Aber dort schaut es dann fast aus wie in einer Schule. An den Wänden bunte Bilder, Basteleien und Wandmalereien von Häftlingen. Und Peter Punz, der Abteilungskommandant sagt: "Für die Jugendlichen bin ich der 'Papa Punz'". Zum Wohnen gehören hier auch ein Tischtennistisch, Tischfußball, eine Bibliothek und ein Klassenzimmer, in dem eine Carrera-Bahn aufgebaut ist. So lernen die Jugendlichen über Zentrifugalkraft und Beschleunigung, sagt der Lehrer Wolfgang Riebniger und: "Wir holen die Kindheit nach".

"Das ist hier einfach so"

Kindheit nachholen und an den Jugendlichen sowohl das Kriminelle sehen als auch das Liebenswerte, ist das Ziel einiger offenbar engagierter Menschen hier. Doch in den Zellen sieht es trostlos aus. Betten, Sesseln, ein Tisch, ein Fernseher, ein Klo, sonst gibt es praktisch nichts. Die Wände sind kahl, der Putz bröckelt ab. Und zahlreiche Jugendliche und auch junge Erwachsene unter 21 erzählen von latenter Gewalt. Einer sagt, Drohungen mit einer Vergewaltigung wie zuletzt, gebe es immer wieder. "Das ist der Umgang hier einfach." - "Am Anfang ist es immer so. Der Stärkere gewinnt."

Wer mit wem in eine Zelle kommt, darauf wird großer Wert gelegt, sagen Justizwacheverantwortliche. Aber manche würden sich auch mehr Personal wünschen - für Werkstätten, für Beschäftigung und damit die Zellen am Wochenende nicht 16 Stunden lang zugesperrt sind. "Hinter verschlossenen Türen passiert mehr Blödsinn", weiß Lehrer Riebniger. "Bei offenen Türen gibt es mehr Kontrolle, aber das ist ein Wunsch an das Christkind - oder an die Frau Justizministerin".

Zu wenig Platz

Und Traktkommandant Rudolf Svoboda sagt, "der Personalstand wurde massivst reduziert. Natürlich ist der Jugendbereich auch betroffen." Sogar Gefängnisleiterin Helene Pigl meint, es gebe in der Justizanstalt Josefstadt zu wenig Platz und Freiraum für Sport und Aggressionsabbau. Und wo der Platz eng ist, entstünden mehr Aggressionen, das sei ganz natürlich.

Aber völlig ausschließen könne man schwerwiegende Vorfälle nie - auch nicht durch Doppel- oder Einzelzellen, sagt Christian Timm von der Vollzugsdirektion des Justizministeriums: "Wir haben auch Insassen, wo Suizid nicht auszuschließen ist. Und dann kann man auch der Meinung sein, das hätte auch in einem Zwei-Personen-Haftraum passieren können, wo noch weniger Sozialkontrolle gegeben ist." Und, so Timm, Kontrolle durch Beamte rund um die Uhr würde auch den Menschenrechten widersprechen.