NSA-Affäre: Europa verliert Vertrauen in USA

Die Enthüllungen über die US-amerikanischen Spitzelaktivitäten in Brüssel und in den EU-Institutionen in Washington versetzen die EU-Spitze in unübersehbare Schockstarre. Die EU-Kommission und der Rat der Mitgliedsstaaten haben sich erst gestern spätabends zu einer dürren schriftlichen Erklärung durchringen können. Sie versichern, den Vorwürfen auf den Grund gehen zu wollen. Zwischen den Zeilen wird ein tiefer Vertrauensverlust deutlich, sogar die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen könnten platzen.

Mittagsjournal, 1.7.2013

Aus Brüssel berichtet ORF-Korrespondentin

Brüssel in Aufruhr

Eine Heerschar von europäischen Diplomaten wurde vorzeitig aus dem Wochenende gescheucht - immerhin wiegen die Vorwürfe schwer, wonach der US-Geheimdienst NSA EU-Institutionen nicht nur auf amerikanischem Boden, sondern auch in Brüssel verwanzt und ausspioniert haben soll.

Der europäische Auswärtige Dienst habe sich mit dem US-Außenministerium in Kontakt gesetzt, bestätigt EU-Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen: "Die Vorwürfe sind besorgniserregend, aber wir brauchen zunächst Klarheit."

Freihandelsabkommen auf der Kippe

Ähnlich weich auch die Erklärung der neuen, litauischen EU-Ratspräsidentschaft, die heute den sechsmonatigen Vorsitz übernommen hat. Immerhin könnte der Zeitpunkt der Enthüllungen ungünstiger kaum sein. Erst vor drei Wochen fiel der Startschuss für mögliche Verhandlungen zum EU-US-Freihandelsabkommen.

Wie aus Dipolmatenkreisen zu erfahren ist, überlegen zahlreiche Mitgliedsstaaten, die Verhandlungen stoppen. Der litauische EU-Botschafter Raimundas Karoblis: "Wir werden im Rahmen aller EU-Botschafter beraten. Das ist auch eine Frage des Datenschutzes, aber zunächst brauchen wir mehr Klarheit über die Vorwürfe."

Spitzelvorfall vor zehn Jahren

Spitzelvorwürfe seitens des US-Geheimdienstes in Brüssel sind keineswegs neu. Vor zehn Jahren wurden im EU-Ratsgebäude, wo sich Minister und Staats- und Regierungschefs regelmäßig treffen und beraten, Wanzen entdeckt. Versteckt waren sie in den Wänden des Gebäudes.

Ein deutscher Sicherheitsexperte, der damals an der Untersuchung beteiligt war, sagte, das Gebäude sei verdrahtet gewesen wie ein Flipperautomat. Die Vermutung, dass der US-Geheimdienst dahinter steckte, wurde von US-Seite nie ausgeräumt.

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