Reichenau: Der einsame Weg

Nach Ibsens "Die Stützen der Gesellschaft" hat heute Abend Schnitzlers "Der einsame Weg" Premiere bei den Festspielen Reichenau. Schnitzler zeichnet darin das Porträt einer orientierungslosen Gesellschaft, das von bindungsunfähigen Menschen handelt. Nun erfährt das Stück eine Neuinszenierung durch den Dramaturgen und Peymann-Weggefährten Hermann Beil.

Mittagsjournal, 4.7.2013

Einsam ist der Weg nach unten - und jeder muss ihn für sich alleine gehen. Das spüren sie alle, diese Gruppe von Freunden und ehemaligen Weggefährten, die einmal jung waren und jetzt im Alter zusammenkommen. Sie ziehen Bilanz über verpasste Gelegenheiten, enttäuschte Hoffnungen, vergessene Sehnsüchte.

"Wir sehen Menschen, die seit vielen Jahren miteinander verstrickt sind und diese Verstrickungen haben eine Leidenschaft", sagt Regisseur Hermann Beil. "Wir erleben Menschen, die Egoisten sind." Beil hat sich immer wieder mit Schnitzler beschäftigt und schätzt an ihm besonders seine Wahrhaftigkeit: "Er ist in der Genauigkeit der menschlichen Gefühle gnadenlos wahrhaftig, dadurch behalten seine Texte eine Gültigkeit, auch wenn sie 100 Jahre alt sind."

Damit der gültige Text aber auch wirkt und berührt, braucht es versierte Schauspieler und ein perfektes Zusammenspiel. Das scheint in Reichenau gegeben - mit Miguel Herz-Kestranek als alter Künstler, der seine späte Vaterliebe entdeckt, Regina Fritsch als Schauspielerin zwischen Tragik und Komik, die sich nach Bürgerlichkeit und einem Kind sehnt, Joseph Lorenz als Herr von Sala, der vor dem nahen Tod davon laufen möchte und ihm schließlich entgegengeht, und Rainer Frieb als zeitlebens betrogener Kunstbeamter.

"Das Stück hat alles", meint Hermann Beil, der als langjähriger Peymann-Dramaturg am Burgtheater und jetzt am Berliner Ensemble gearbeitet hat. Er führt in Reichenau immer wieder Regie, zuletzt bei "Anna Karenina" im Vorjahr. "Bewegend ist, wenn ganz junge Schauspieler kommen und erfahrene ältere Kolleginnen", meint Beil, "die zeigen, dass sie wunderbar zusammenspielen können". So sind etwa Regina Fritschs Tochter Alina Fritsch in ihrem Reichenau-Debüt als Johanna zu sehen und der junge Dominik Raneburger als Leutnant Felix.

Einsam mag er sein, der Schnitzlersche Weg, wenn er aber nach Reichenau führt, so wird er sich - das lassen die Proben schon erahnen - mit ziemlicher Sicherheit lohnen.