"Zur Lage der Nation"

"Allmännyttan": Wohnmodell Schweden

Auch in Schweden gibt es Wohnungsnot, der Bedarf an neuen Wohnungen ist hoch. Da unterscheidet sich das nordeuropäische Land kaum von Österreich. Was aber auffällt, sind die Mietpreise: Die Mieten steigen in Schweden nicht stärker als die allgemeinen Preise, zumindest im öffentlichen Wohnbau. Das liegt am einzigartigen schwedischen Mietmodell.

Mittagsjournal, 27.8.2013

Angleichung der Marktpreise

Jeder soll eine gute Wohnung zu einem fairen Preis haben - das ist kurz gesagt das schwedische Mietmodell "Allmännyttan". Übersetzt bedeutet es: "Alle sollen Nutzen haben". Die Festsetzung der Miete ist ein Ritual. einmal pro Jahr verhandeln Mieter und Vermieterverbände den Preis, erklärt Barbara Steenbergen vom europäischen Mieterbund. Sie vertritt fünf Millionen Mieter in Europa: "Das ist Verhandeln auf gleicher Augenhöhe. Dann gibt es ein Punktesystem, und dann einigt man sich auf einen Mietpreis. Das hat auch dazu geführt, dass die Mieten in Schweden fair zustandekommen." Gleicher Preis für gleiche Kategorie - das Mietprinzip in Schweden. Es gilt auch für Privatwohnungen. Die Marktpreise und die Mieten in den Gemeindewohnungen würden angeglichen, so Steenbergen.

Die Mieten müssen die Selbstkosten für Betrieb, Kapitalkosten und Instandhaltung decken, erklärt Kurt Eliasson, Chef des Dachverbandes der öffentlichen Wohnungswirtschaft SABO. Die 300 SABO-Mitglieder betreuen fast eine Million Wohnungen. "Wenn ein Vermieter mehr verlangen will, braucht er ein gutes Argument dafür und die Zustimmung der Mieter."

EU-weites Thema

Jede zweite Mietwohnung wird von der öffentlichen Wohnungswirtschaft betreut. Trotz der Nachfrage wird auch in Schweden seit Jahren weniger gebaut. In Schweden gibt es keinen geförderten Wohnbau. Geld müssen die Firmen schon selbst am Markt auftreiben, erklärt SABO-Chef Kurt Eliasson. Das war nicht immer so. In den 1960er Jahren legte die Regierung das "Million Homes Programme" auf; diese Wohnungen sind jetzt Sanierungsfälle. Auch dafür müssen die schwedischen Wohnbaugesellschaften aufkommen, sagt Eliasson.

230.000 Menschen sind aktuell in Schweden für eine Mietwohnung angemeldet. Gebaut werden nur 1.000 neue Wohnungen. Der Bedarf wären aber 40.000 neue Wohnungen pro Jahr. Zu wenig Neubau, das zieht sich durch ganz Europa. Seit langem schon versucht daher die Baubranche, das Thema Wohnen auf die Tagesordnung des Europäischen Parlaments zu setzen, sagt Barbara Steenbergen. Im Dezember soll es erstmals nach vielen Jahren in Brüssel wieder eine Ratssitzung, also ein Treffen der zuständigen Minister, mit dem Schwerpunkt Wohnbau geben. Denn europaweit geben bereits zwölf Prozent der Europäerinnen und Europäer 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen aus.