Norwegen: Einfallsreiche Wählerwerbung

In Norwegen weisen viele Prognosen darauf hin, dass die Konservativen die Mehrheit erreichen und eine Koalition mit der populistischen Fortschrittspartei eingehen könnten. Die Kandidaten waren in den vergangenen Wochen darum bemüht, unentschlossene Wähler zu überzeugen, teilweise mit ungewöhnlichen Mitteln.

Mittagsjournal, 9.9.2013

Stoltenberg fährt Taxi

Seit acht Jahren ist Jens Stoltenberg Regierungschef in Norwegen. In der Bevölkerung ist er nach wie vor beliebt: bei einer Wahlveranstaltung im Osloer In-Viertel Grünerlokka geht er durch die Menge, seine Anhänger wünschen ihm Glück für den Wahltag. Doch Umfragen deuten darauf hin, dass bald ein neues Gesicht Norwegen regieren wird. Viele Menschen werfen den regierenden Sozialdemokraten vor, nicht genug getan zu haben um die Anschläge von Anders Behring Breivik zu verhindern und sagen, Stoltenberg sei amtsmüde geworden: "Ich mag Stoltenberg und seine Politik, aber ich glaube die Sozialdemokraten sind ein bisschen zu zufrieden mit sich selbst geworden."

Das hört Jens Stoltenberg nicht gerne: "Nach so einem langen Wahlkampf fühlt man natürlich, dass man eine anstrengende Zeit hinter sich hat, aber das heißt nicht, dass ich nicht bereit wäre wieder Premierminister zu sein." Um dieses Ziel zu erreichen hat Stoltenberg im Wahlkampf zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen: Verkleidet als Taxifahrer kutschierte er einen Tag lang Norweger durch die Hauptstadt Oslo um zu erfahren, was die Bürger wirklich denken. Den Umfragewerten hat es geholfen, zumindest kurzfristig.

Jensen kocht, Solberg fliegt

Aber auch andere Parteien haben sich etwas einfallen lassen um im ruhigen norwegischen Wahlkampf für Aufregung zu sorgen: Siv Jensen, die Chefin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, nahm an einem Kochduell im Fernsehen teil - und gewann. Erna Solberg von der konservativen Hoyre zwängte sich trotz ihrer Leibesfülle in einen Rettungsanzug und ließ sich von einem Helikopter aus dem Wasser ziehen.

Genau diese Erna Solberg könnte Stoltenberg gefährlich werden. Viele Norweger sehen sie als nächste Premierministerin: "Darauf habe ich lange gewartet, wir hatten Stoltenberg acht Jahre lang und er redet nur und tut nichts. Ich hoffe, dass sie jetzt unsere nächste Premierministerin wird."

Stoltenberg und Solberg könnten heute laut Umfragen zwar rund 30 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Allerdings schwächeln die Koalitionspartner der Sozialdemokraten, deshalb könnte die nächste Regierung aus Konservativen und der rechtpopulistischen Fortschrittspartei bestehen, sagt der Politologe Bernst Aardal: "Es ist eher ein Protest gegen die Regierung als ein völlig neuer Kurs der auf uns zukommen könnte. Viele Leute verstehen nicht, wieso es in einem der reichsten Staaten der Welt Missstände in Krankenhäusern, der Altenpflege und Infrastruktur gibt."

Rund 3,6 Millionen Norweger geben heute ihre Stimmen ab, die Wahllokale sind bis 21 Uhr geöffnet.