Iran schaut Rouhani genau auf die Finger

Ein "historisches Ereignis" nannten viele internationale Zeitungen das gestrige Telefonat zwischen US-Präsidenten Obama und dem neuen iranischen Präsidenten Rouhani. Ein direktes Zusammentreffen der beiden in New York war im letzten Moment von iranischer Seite abgesagt worden. Dennoch ist man sich darin einig, dass die Eiszeit, die seit der islamischen Revolution vor 34 Jahren zwischen Washington und Teheran geherrscht hat, nun vorbei sein könnte. Doch muss sich Rouhani im Iran erst durchsetzen.

Mittagsjournal, 28.9.2013

Aus Istanbul berichtet ORF-Korrespondent

Wähler erwarten viel, Widersacher Scheitern

Jeder Schritt, den der neue iranische Präsident in den USA tut, wird in seinem Land genau beobachtet. Von seinen Wählern, die von ihm sehr viel erwarten, und von seinen politischen Widersachern, die auf sein Scheitern setzen. Entsprechend vorsichtig hat Rouhani jedes seiner Worte abgewogen.

Wie er die Sorge über das iranische Atomprogramm ausräumen will, hat er zum Beispiel nicht verraten. Denn vieles, was er in New York von sich gegeben hat, war vorwiegend für das heimische Publikum bestimmt. Über seine Kritik an der Leugnung des Holocaust wurde im Iran zwar berichtet, die amtliche Nachrichtenagentur FARS behauptet aber, Rouhani wäre von CNN falsch zitiert worden. Er habe nämlich den Begriff "Holocaust" gar nicht verwendet sondern nur von "Massaker" gesprochen.

Spielraum abhängig Geistlichen

Von der iranischen Bevölkerung wird vor allem genau verfolgt, wie Rouhanis amerikanische Gesprächspartner reagieren. Denn Iraner, die im Juni den neuen Präsidenten wählten, erwarten vor allem eines: eine schnelle Lockerung der Sanktionen.

Doch wie viel Spielraum der iranische Präsident hat, hängt vor allem von den anderen Akteuren im Teheraner Machtgefüge ab. So wie in westlichen Ländern politische Entscheidungen oft von Meinungsumfragen diktiert werden, so hängt im Iran alles von der momentanen Stimmungslage innerhalb der geistlichen Führung ab.

Rouhani kennt innenpolitische Fallstricke

Revolutionsführer Ali Chamenei scheint derzeit noch hinter der Öffnung zum Westen zu stehen. Aber anders als sein Vorgänger Chomeini ist er nicht allmächtig, sondern muss sich mit rivalisierenden Machtgruppen abstimmen. Unter solchen Umständen kommt es nahezu einem Kunststück gleich, einen politischen Kurswechsel zu vertreten, ohne schon im nächsten Moment wieder zurück gepfiffen zu werden.

Rouhani scheint aber für diesen Drahtseilakt viele Voraussetzungen mitzubringen. Er kennt aus langer Erfahrung alle innenpolitischen Fallstricke, auf die er achten muss. Und er ist anders als sein Vorgänger Ahmadinejad weise genug, nicht seine persönlichen Ambitionen in den Vordergrund stellen.

Schwierige Aufgaben warten

Dennoch warten auf Rouhani demnächst noch schwierigere Aufgaben. Wenn er mit der Demokratisierung des Landes vorankommen will, muss er die wirtschaftliche Übermacht der Revolutionsgarden brechen. Verglichen damit könnten sogar die Atomverhandlungen mit dem Westen eine leichte Übung sein.