"Shutdown": Ausnahmezustand in Washington

Erstmals seit 17 Jahren gibt es in den USA wieder einen Regierungsstillstand, weil sich Republikaner und Demokraten nicht auf ein Übergangsbudget einigen konnten. Nur in wirklich wichtigen Bereichen arbeiten Staatsbedienstete weiter. in Spitälern, an Grenzposten und in Gefängnissen. Es herrscht "Ausnahmezustand", vor allem in der Hauptstadt Washington.

Morgenjournal, 2.10.2013

Eine Reportage aus Washington von

Geschlossene Museen

An strahlend sonnigen Tagen wie diesen ist die Washington Mall, die Museumsmeile der US-Hauptstadt, normalerweise gesteckt voll. Heute ist sie gähnend leer. "Wegen Verwaltungsstillstand geschlossen" steht auf den Toren der prächtigen Museen. Davor stehen verwirrte Touristen: "Wir haben heute erst herausgefunden, dass hier alles zu ist", beschwert sich ein Tourist aus Großbritannien. D"as hat uns den Tag ruiniert."

Der Kanadier John blättert ratlos in seinem Reiseführer: "Wir suchen nach offenen Sehenswürdigkeiten, alle Museen, die wir heute anschauen wollten, sind geschlossen. Das vermittelt uns kein positives Bild von der amerikanischen Demokratie. Wo doch die USA die vermeintlich mächtigste Nation der Welt sind."

Beamte auf Zwangsurlaub

Während sich die Touristen an diesem Tag zumindest mit dem schönen Wetter trösten können, sieht es einige Straßen weiter ganz anders aus. Vor den Ministerien sieht man lange Gesichter: Die meisten Mitarbeiter hier sind in die Arbeit gekommen, um gleich wieder umzudrehen: "Ich bin heute sehr früh ins Büro gefahren", sagt Bob, der im Finanzministerium arbeitet. "Dann habe ich meinen Anrufbeantworter besprochen und eine E-Mail-Abwesenheitsnotiz geschrieben. Und jetzt warte ich auf einen Zug nachhause."

Das schlimmste sei die Unsicherheit, sagt Bob, Alleinverdiender und Vater dreier Kinder: "Ich mache mir Sorgen, dass ich meinen Kredit nicht zahlen kann."

"Sie enttäuschen das ganze Land"

Bill Dougan ist der Chef der drittgrößten US-Gewerkschaft für öffentlich Bedienstete. Er vertritt 110.000 Staatsangestellte - fast dreiviertel von ihnen mussten heute nachhause gehen: "Viele von ihnen leben von einem Gehaltsscheck zum nächsten, es ist verantwortungslos, dass diese Menschen hängen gelassen werden." Seit Monaten hat Dougan gegen einen Regierungsstillstand angekämpft - ohne Erfolg: "Die Politiker stellen ihre waghalsigen Spielereien über das Wohl der Bevölkerung. Wir Steuerzahler erwarten uns aber, dass sie ihren Job machen. Stattdessen enttäuschen sie das ganze Land."

Stimmt, sagt Harrison, Angestellter im Arbeitsministerium - der heutige Tag war für ihn eine Niederlage: "Sie können sich nicht vorstellen, wie die Stimmung in meiner Arbeit war: Da war alles tot. Ich sage ihnen: die Republikaner werden bei den nächsten Wahlen ein wirkliches Problem haben

Abrechnung bei nächster Wahl

Die Republikaner - das sind in den Augen der meisten Menschen hier die Hauptschuldigen an der Misere: "Der Kongress enttäuscht uns, nicht der Präsident", sagt die Gerichtsangestellte Macy. "Ich bin sehr froh, dass er in der Debatte um die Gesundheitsreform nicht nachgegeben hat."

Die Wut und der Frust auf die Politiker sind hier in Washington jedenfalls groß: "Die Damen und Herren im Parlament da drüben sind unfähig, ihren Job zu machen. Sie führen sich nicht besser auf als kleine, missratene Kinder", sagt der Zoomitarbeiter Jim: Er werde sich daran erinnern, sagt er. Spätestens bei der nächsten Wahl.