Italiens Wahlrecht teilweise aufgehoben

Das Verfassungsgericht bringt jetzt Bewegung ins Wahlrecht, für das die Italiener ein kräftiges Beiwort haben: "Porcellum". Mit dieser - zu Deutsch - "Schweinerei" soll jetzt Schluss sein: Die Richter haben die Mandatsprämie für den Stimmengewinner und die blockierten Listen gekippt. Und prompt kocht bei den Parteien der Streit hoch, wie das Wahlrecht jetzt verändert werden soll.

Mittagsjournal, 5.12.2013

Für Berlusconi maßgeschneidert

"Die Richter haben einen Stein in den stillstehenden Sumpf der italienischen Politik fallen lassen", bringt es der angesehene Kommentator Stefano Folli auf den Punkt. Seit acht Jahren ist das umgangssprachlich "Porcellum" genannte Wahlrecht in Kraft, drei Parlamente wurden damit gewählt. Schon immer wollte man es ändern, aber wenn es so weit war, legte sich die Partei quer, für die es gerade günstig schien.

Silvio Berlusconi hat es in seiner dritten Regierung hastig schneidern lassen, mit den zwei jetzt für verfassungswidrig erklärten Besonderheiten. Erstens: ein satter Mehrheitsbonus in beiden Kammern, der aber nach unterschiedlichen Kriterien vergeben wird. Die Folgen sind verzerrte oder sich blockierende Mehrheiten - in jedem Fall schlecht für das Regieren. Zweitens: geschlossene Listen ohne Vorzugsstimmen. Der Parteichef kann im Aleingang die Kandidaten auswählen und reihen. Der Wähler kreuzt nur die Liste an. Berlusconi hat das reichlich genutzt und junge Freundinnen und Freunde mit sicheren Listenplätzen beschenkt.

Bald wieder zahllose Kleinparteien im Parlament?

Beide Punkte sind mit dem Inkrafttreten des Richterspruchs in wenigen Wochen obsolet. Was bleibt ist ein reines Verhältniswahlrecht mit einer Klausel von nur zwei Prozent. Würde damit gewählt, würde in Italien die instabile Politik der zahllosen Kleinparteien zurückkehren.

"Jetzt ist das Parlament gezwungen, das Schicksal des Landes endlich in die Hand zu nehmen", sagte Folli. Anzupacken sei nicht nur das Wahlrecht, sondern auch die ewig verschleppten, vielzitierten Verfassungsreformen, fordert er.

Ruf nach Neuwahlen

Aber hört man das Geschrei der Parteien nach dem Richterspruch, erscheinen die Aussichten dafür nicht rosig. "Das gesamte Parlament ist illegal", erzürnte sich etwa Beppe Grillo und verlangte sofortige Neuwahlen. "Dann werden wir diese nicht-legitimierten Leute los, das Parlament, die Regierung und den Staatspräsidenten."

Auch Berlusconis Parteifreunde rufen nach Neuwahlen. Allerdings mit einem neuen Wahlgesetz nach ihrem Geschmack. Kommende Woche wird Premier Enrico Letta für seine geschrumpfte Mehrheit erneut die Vertrauensfrage stellen. "2014 wird das Jahr der Reformen", sagte Letta und legte allem Getöse zum Trotz Optimismus an den Tag.