Türkei: Erdogan in der Defensive

Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gerät in der Türkei immer mehr in die Defensive. Gegen mehr als 50 regierungsnahe Personen und Unternehmen wird wegen Korruption ermittelt. Doch Erdogan reagiert wie schon bei den Gezi-Protesten vor einem halben Jahr: Er schimpft gegen das Ausland, verbreitet abenteuerliche Verschwörungstheorien und droht mit dem Rauswurf von Botschaftern.

Mittagsjournal, 27.12.2013

Machtkampf zwischen Erdogan und Gülen

Der Zeitpunkt der Korruptionsenthüllungen könnte für den Regierungschef kaum ungünstiger sein. Denn schon im Frühjahr stehen Regionalwahlen an und im Sommer Präsidentschaftswahlen. Davor möchte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan noch gerne die Verfassung ändern lassen, um das Präsidentenamt, das er gerne selbst übernehmen will, mit umfangreichen Vollmachten auszustatten.

Die Staatsanwaltschaft von Ankara ermittelt inzwischen auch zu Korruptionsvorwürfen bei öffentlichen Ausschreibungen der staatlichen Bahngesellschaft. Einer der zurückgetretenen Minister hat Erdogan aufgefordert zurückzutreten. Denn er habe über die meisten Projekte Bescheid gewusst.

Hinter der Affäre steht ein Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern des in den USA lebenden einflussreichen islamischen Predigers Gülen, die besonders zahlreich in Justiz und Polizei vertreten sind. Mitauslöser des Konflikts sind Pläne der Regierung, ein Netzwerk von Schulen der Gülen-Bewegung zu schließen.

Erdogan startet Gegenangriff

Die Korruption ist aber auch bei vielen Bürgern ein Thema. Passanten in Istanbul finden, dass es nun endlich Zeit wäre, mit dem System aufzuräumen, das eine kleine Elite begünstigt. "Es kommt alles zurück wie ein Boomerang. Alles über das sich die Regierung jetzt beschwert sind doch nur die Tricksereien die sie selbst immer gemacht haben", sagt eine Frau.

Aber Istanbul ist nicht die Türkei. Und die Wahlen gewinnt die AKP auch nicht hier, sondern in den ländlichen Regionen. Und da glauben die Menschen ihrem Ministerpräsidenten vielleicht, wenn er davon spricht, dass alles nur eine Verschwörung des Auslandes gegen ihn ist. Und so geht Erdogan zum Gegenangriff über. Er lässt eine Säuberung in der Polizeiführung vornehmen und auch der Korruptionsstaatsanwalt ist bereits abgesetzt worden.