"Stärke zeigen ist Erdogans Strategie"
Droht dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan das Ende seiner politischen Karriere? Dafür ist es noch zu früh, sagt Ekrem Güzeldere von der European Stability Initiative. Sollte sich die Affäre ausweiten und Personen beschuldigt werden, die Erdogan nahestehen oder ihn selber betreffen, dann könnte das in einigen Wochen und Monaten zum Ende seiner politischen Karriere führen, so der Politologe.
8. April 2017, 21:58
(c) Anadolu Agency, EPA
Mittagsjournal, 27.12.2013
Christian Williwald, Ekrem Güzeldere
"Strategie hat schon bei Gezi-Protesten funktioniert"
Zum jetzigen Zeitpunkt sehe es nicht so aus, dass sich die Affäre weiter ausdehnt, sagt Ekrem Güzeldere von der European Stability Initiative. Bis jetzt konnten die AKP und Erdogan solche Krisen immer ganz gut bewältigen.
Erdogan hat die Minister, deren Söhne in Haft sind, ausgetauscht. Er will also Stärke zeigen. Kann er so die Affäre von sich fernhalten? Das sei die Strategie, so sehe es derzeit aus, sagt Güzeldere. Diese Strategie habe schon im Sommer bei den Gezi-Protesten ganz gut funktioniert. Die AKP habe eine professionelle Parteiorganisation, sei gut vernetzt in den Medien und schaffe es dadurch vor allem im Fernsehen, ihre Sicht der Dinge der Mehrheit der Bevölkerung zu vermitteln.
"Sollte nichts weiteres dazukommen und schärfere und schwerwiegendere Vorwürfe an die AKP gerichtet werden, kann es gut sein, dass es genauso wie Gezi nach ein paar Wochen kaum Auswirkungen auf ein Wahlergebnis oder auf Umfragen hat", sagt der Politologe.
Opposition keine Alternative
Es gibt ein großes Gefälle zwischen den Städten und den ländlichen Regionen, wo Erdogan besonders viel Zuspruch hat. Ist die Landbevölkerung weniger beeindruckt von den Skandalen? Ja, sagt Güzeldere. Ein weiterer Grund, warum der Skandal nicht so schnell Auswirkungen auf das Wahlergebnis oder Umfragen habe: "In der Regel gehen diese verlorenen Stimmen nicht an die Oppositionsparteien, sondern an das Lager der Nichtwähler und Unentschlossenen. So lange die Bevölkerung nicht die Meinung hat, dass die Opposition eine wirkliche Alternative darstellt, werden nur wenige für andere Parteien stimmen und die AKP einen Verlust von drei bis fünf Prozent erleiden, was immer noch eine klare Mehrheit ist."
Es sei eindeutig, dass es einen Machtkampf zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung gibt, sagt der Politologe - nicht erst seit einigen Wochen, sondern seit einigen Jahren. Wie dieser Kampf ausgehen wird, sei schwer abzuschätzen. Aber man dürfe nicht vergessen: Die AKP sei in der Türkei deutlich stärker als die Gülen-Bewegung. Diese habe etwa fünf Millionen Mitglieder, die bei Wahlen drei bis fünf Prozent ausmachen. "Die AKP holt 50 Prozent der Stimmen."