Buchinger: Behindertenanwalt ohne Behinderung
Erwin Buchinger, früher Sozialminister, war in den vergangenen vier Jahren Behindertenanwalt und wurde für diese Aufgabe für weitere vier Jahre beauftragt. Das hat der amtierende Sozialminister entschieden. Obwohl Buchingers Arbeit weitgehend positiv bewertet wurde, sieht man seine Bestellung kritisch, weil er der einzige Bewerber ohne Behinderung war. Buchinger rechtfertigt sich.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 2.1.2014
"Deutlich geeigneter"
Behindertenorganisationen und auch die Grünen haben die Bestellung Erwin Buchingers kritisiert. Er habe damit gerechnet, das wäre auch vor vier Jahren schon so gewesen. Ausschlaggebend für seine Bestellung sei aber einzig das Ergebnis des Hearings gewesen, sagt Erwin Buchinger: "Die gesetzliche Regel ist eindeutig: Bei gleicher Eignung ist der Mensch mit Behinderung vorzuziehen. Und es hat eine Kommission, die fast ausschließlich aus behinderten Menschen bestanden hat, festgestellt, dass ich deutlich geeigneter bin als die behinderte Person. Das ist ja auch kein Wunder. Ich war so lange in Funktionen, die im Bereich Behindertenrecht, Behindertenpolitik doch wichtig waren und sind. Da hat man Erfahrungen, Kenntnisse und Netzwerke, die ein anderer schwer aufholen kann."
Sparkurs abwehren
In der vergangenen Amtsperiode habe es wenige Fortschritte in der Gleichstellung Behinderter gegeben, bemängelt Buchinger. Es sei mühselige Kleinarbeit gewesen, so Erwin Buchinger. Er werde aber bei diesen Themen weiter hartnäckig bleiben, auch wenn in den nächsten Jahren "eine Reihe von Abwehrgefechten geführt werden müssen". Denn die Politik werde versuchen, auch zu Lasten Behinderter Programm zu kürzen. "Das ist nicht hinzunehmen, im Gegenteil. Es muss, um die UN-Konvention umzusetzen, zur Gleichstellung behinderter Menschen noch viel mehr investiert werden, als es zuletzt der Fall war." Buchingers Vision: "Die Gleichstellung von behinderten Menschen soll in Österreich so selbstverständlich werden wie die Gleichstellung von Mann und Frau."
Kritik übt der neue alte Behindertenanwalt auch am neuen Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP. Konkrete und fassbare Schritte zur Gleichstellung behinderter Menschen in den nächsten fünf Jahren seien da kaum zu finden, so Erwin Buchinger: Es gebe zwar positive Hinweise für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, allerdings fehlten konkrete Maßnahmen. Enttäuschend sei auch weitgehend das Kapitel Bildung und "auch im Gleichstellungsrecht fehlt jeder Hinweis auf konkrete Verbesserungsschritte, wie sie von mit und Behindertenorganisationen gefordert werden".
Klagen gegen Barrieren drohen
Eine zentrale Forderung seit Jahren ist Barrierefreiheit. Ende 2015 ist die Übergangsfrist für Unternehmer zu Ende und es müssen überall barrierefreie Zugänge für Behinderte errichtet sein. Wenn nicht, dann werde man sich wehren, so der Behindertenanwalt: Betroffene würden zu Gericht gehen - und der Behindertenanwalt werde das unterstützen - um ihr Recht auf Barrierefreiheit einzuklagen. Für Sammelklagen habe er als Behindertenanwalt derzeit keine Befugnis. Aber eine Zielsetzung für die kommenden vier Jahre werde es sein, die gesetzlichen Möglichkeiten der Behindertenanwaltschaft auszuweiten.