China: Korruptionsermittlungen

Chinas Kampf gegen Korruption wird immer stärker ausgeweitet. Gegen fast 40.000 Funktionäre und Beamte wird ermittelt. Außerdem verdichten sich Gerüchte, dass einer der mächtigsten Politiker der vergangenen Jahre unter Hausarrest gestellt und möglicherweise angeklagt wird. Präsident Xi Jinping will zeigen, dass er es mit dem Kampf gegen Korruption ernst meint - gleichzeitig festigt er seine Macht.

Mittagsjournal, 9.1.2014

Korruptionsjäger im Online-Spiel

Auf der Website der "Volkszeitung", des offiziellen Parteiorgans, können chinesische Bürger dieser Tage ihrer Wut auf korrupte Funktionäre freien Lauf lassen. Dem legendären Computerspiel "Whack-A-Mole" nachempfunden, wo man Maulwürfe mit einem Hammer zurück in ihre Löcher schlagen muss, können die Bürger mit einem Taser bewaffnet zwielichtige KP-Funktionäre und Beamte abschießen, die in rascher Abfolge in den Fenstern eines Gefängnisses auftauchen. Jedes Mal wenn man die grinsenden und mit Geldbündeln winkenden Gestalten erwischt gibt es 100 Punkte.

Nichts ist Zufall in der großen Anti-Korruptionskampagne mit der Xi Jinping das Image der angeschlagenen Partei in der chinesischen Öffentlichkeit wieder aufpolieren will.

Werden nur "kleine Fische" gefangen?

Gegen zehntausende Funktionäre und Beamte wird angeblich wegen Korruption ermittelt. Die meisten sind kleine Fische, sagen Kritiker wie der Historiker Zhang Lifang. „Die großen Interessensgruppen, die 500 einflussreichsten Familien in China sind gegen die Anti-Korruptionskampagne. Ihre Macht zu brechen ist sehr schwierig", sagte Zhang Lifang im Ö1-Mittagsjournal. So treffe es vor allem Leute, die kein mächtiges Netzwerk an Beziehungen haben. Die Kampagne diene außerdem dazu, sich mächtiger politischer Feinde zu entledigen, so der Kritiker.

Doch hat es jüngst auch Bürgermeister großer Metropolen und Wirtschaftskapitäne erwischt. Angeblich zappelt der größte Fisch schon im Netz. Der verhasste ehemalige Sicherheitschef, der ein Jahrzehnt lang Herr über Justiz, Polizei und das Spitzelwesen war, steht offenbar bereits unter Hausarrest.

Mächtiger Ex-Funktionär vor Anklage

Die Vorwürfe gegen Zhou Yongkang, die von chinesischen Medien im Ausland verbreitet und bisher öffentlich nicht dementiert wurden, sind wüst und erinnern an einen Hollywood Film. Zhou habe seine erste Frau überfahren lassen, um anschließend eine bekannte Fernsehmoderatorin zu heiraten. Er und seine Familie hätten Milliarden veruntreut. Viel schlimmer: Zhou habe mit anderen zwielichtigen Elementen der Partei Präsident Xi Jinping herausfordern und ihn gar stürzen wollen.

Wie so oft in China wird derzeit offiziell geschwiegen. Doch scheinen Gerüchte über eine möglicherweise bevorstehende öffentliche Anklage Zhou Yongkangs durchaus glaubwürdig. Zhou, der im vergangenen Jahr aus Altersgründen aus dem allmächtigen Politbüro ausgeschieden ist, wäre der höchstrangige KP-Funktionär alle Zeiten, der über einen Korruptionsskandal gestürzt ist.

Willkürlicher Kampf gegen Korruption?

Die Anti-Korruption-Kampagne mag beeindruckend sein, mit größerer Offenheit, gar mit politischen Reformen hat sie aber nichts zu tun. Sie ist vor allem eine Demonstration der Macht, mit der Xi Jinping den rund 80 Millionen Parteimitgliedern Furcht und Respekt einflössen und seine Position als starker Mann Chinas festigen will.

Wer über Korruptionsvorwürfe stürzt, das bestimmt letztlich die Partei und eben nicht unabhängige Gerichte, die es in China nicht gibt. So erinnert auch diese Kampagne an ähnliche in der Vergangenheit. Sowohl im Stil als auch in ihrer Willkür.