Berlusconis Anti-EU-Wahlkampf

Die Entscheidung in der Schweiz trifft die EU zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Mitten im EU-Wahlkampf treten rechtspopulistische Parteien auf und punkten mit EU-Kritik bis EU-Ablehnung. In Italien hat bisher der Europäische Einigungsprozess als konstantes Ziel gegolten - damit macht Silvio Berlusconi jetzt Schluss: mit antieuropäischen Slogans kehrt er auf die politische Bühne zurück und zieht in den Europa-Wahlkampf.

Mittagsjournal, 10.2.2014

Das ungebrochene Bekenntnis zum europäischen Einigungsprozess galt lang als eine der wenigen unbestrittenen Konstanten in der italienischen Politik. Italien war unter den sechs Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaften und als der Euro die inflationsgeplagte Lira ersetzte, herrschte fast einhellige Zustimmung. In der Wirtschaftskrise aber hat sich der Wind gedreht und in Italien herrscht Euroskepsis. Und einer, der stets die Stimmung der Masse zu seinem Programm gemacht hat, kehrt mit antieuropäischen Slogans überraschend auf die politische Bühne zurück: Silvio Berlusconi macht Europawahlkampf gegen den Euro.

Wieder auf Erfolgskurs

Es ist kaum zu glauben, aber nicht mehr zu übersehen: Silvio Berlusconi ist wieder da, er beherrscht die Medien und hat seinen alten Optimismus wiedergefunden. Seine persönlichen Meinungsforscher, die ihm die Linie vorgegeb, sehen den 77jährigen Milliardär wieder auf Erfolgskurs: mit einem Anti-Euro-Wahlkampf.

Der Euro eine fremde Währung - verkündet Berlusconi - ein Instrument Angela Merkels, um ganz Europa Deutschlands Willen aufzuzwingen. Berlusconi hat den Europawahlkampf eröffnet und er möchte auch baldige nationale Wahlen: Es geht um Biegen oder Brechen, sagt er in einem TV-Interview. Die „Moderaten“, so nennt Berlusconi sein Lager, werden wieder die Mehrheit erobern.

Nach Berlusconis Verurteilung wegen Steuerbetrugs und seinem Ausschluss aus dem Senat hatten seine Gegner auf sein politisches Aus gehofft. Im April wird ein Gericht entscheiden, ob er seine Strafe als Sozialhelfer abdienen darf / oder für ein Jahr in Hausarrest muss.

Aber es wäre nicht Berlusconi, wenn er die politische Pause nicht genutzt hätte: er hat ein Netz von 12.000 Forza-Silvio-Clubs über das Land gespannt. Wo immer seine Fans versammelt sind, meldet sich der Parteichef, der "Presidente" wie man ihn nennt, zu ihrer Freude am Telefon.

Seine erneute Auferstehung hat Berlusconi dem neuen, jungen Chef der Sozialdemokraten, Matteo Renzi, zu verdanken. Der will den Reformstau des Landes durch ein neues Wahlgesetz überwinden, das klare Mehrheitsverhältnisse zwischen Regierung und Opposition bringen soll - die vielen kleinen Parteien, die das Regieren erschweren, müssten sich dem einen oder anderen Lager anschließen.

Mit allen möglichen Aktionen versucht deshalb die Protestbewegung Beppe Grillos, die für sich Bündnisse ausschließt, die Reform zu verhindern. Renzi braucht für das neue Gesetz die Unterstützung des rechten Lagers, dessen Führer nach wie vor Silvio Berlusconi heißt. So wurde der Geächtete wieder zum Verhandlungspartner.

Berlusconi ist ein Meister im Schmieden von Bündnissen: alte und neue Faschisten, Sezessionisten, Christdemokraten - alles, was nicht links ist, versammelt er unter seinem Schirm. Wenn das neue Wahlgesetz in Kraft tritt und Berlusconi die Krisenverdrossenheit vieler Italiener geschickt gegen Euro und Angela Merkel lenkt, dann - sagen die Meinungsforscher - hat er gute Chancen, dass ihm die Italiener noch einmal eine Regierungsmehrheit bescheren - zum vierten Mal.