Exportüberschuss: EU rügt Deutschland

Wenn die EU als gemeinsamer Wirtschaftsstandort funktionieren soll, dann muss jedes Land seiner Verantwortung gerecht werden und nicht mit einer falschen Strategie die Zukunft gefährden. Diese Botschaft hat die EU-Kommission gestern abgeschickt - nicht an Griechenland, Spanien oder Italien, sondern an den bisherigen Musterschüler Deutschland.

Mittagsjournal, 6.3.2014

200 Milliarden Euro Exportüberschuss

Deutschland hat im Vorjahr Waren im Wert von 1094 Billionen Euro exportiert, importiert wurde deutlich weniger: Die Differenz beträgt 199 Milliarden Euro. Das ist nach Ansicht der EU-Kommission eindeutig zu viel. Stefan Ederer, beim Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO zuständig für europäische Wirtschaftspolitik, schließt sich der Meinung der EU-Kommission an.

"Deutschland lebt eigentlich von der Nachfrage aus dem Ausland. Insofern sollte die Bundesrepublik auch eine entsprechend hohe Inlandsnachfrage erzeugen, damit auch andere EU-Staaten dorthin exportieren können."

Geringe Löhne, wenig Konsum

Das Problem ist also nicht so sehr, dass Deutschland viel exportiert, sondern dass die Nachfrage im eigenen Land zu niedrig ist. Aber woran liegt das? Warum kaufen die Deutschen weniger, sondern verkaufen lieber? Vereinfacht gesagt: Die Löhne sind kaum gestiegen. Dadurch kann Deutschland vergleichsweise günstig produzieren, die Menschen haben aber auch nicht so viel Geld in der Tasche.

Durch die Arbeitsmarktreformen und die Förderung von Mini-Jobs habe die deutsche Regierung einen großen Niedriglohnsektor erzeugt. Und dieser trage zum schwachen Konsum bei, so Ederer.

Schäuble sieht Vorwurf gelassen

Und das verschafft Deutschland einen Vorteil, der auf Kosten der anderen EU-Länder geht, weil dort die Lohnkosten nicht gesunken sind. Die Debatte sehe man mit viel Selbstbewusstsein und Gelassenheit, sagt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, sein Land sei auf dem richtigen Weg.

Ederer wiederspricht: Die Lage sei nicht so rosig, wie von Deutschland dargestellt, man sollte etwa die Förderung von Mini-Jobs überdenken. Einige Maßnahmen, wie die Anhebung der Mindestlöhne, gehen laut Ederer aber in die richtige Richtung.

Deutschland soll mehr investieren

Deutschland kommt als größte Wirtschaftsmacht in der EU aber auch eine wichtige Rolle zu, was die Zukunftsperspektive und die Vorbildwirkung betrifft. Und auch da meint die EU-Kommission, dass die Stärke auf ziemlich schwachen Beinen steht. In die öffentliche Infrastruktur habe man zum Beispiel in den vergangenen Jahren wenig investiert.

Der deutsche Staat könne hier durchaus mehr Geld ausgeben, vor allem, da er wirtschaftlich und finanziell gut dastünde, sagt Wirtschaftsexperte Ederer.

Ähnliche Entwicklung in Österreich

Eine ähnliche Entwicklung gebe es übrigens auch in Österreich. "Auch hier war die Lohnentwicklung meist unterhalb der Produktivität vor der Krise". Das Ungleichgewicht sei aber nicht "so extrem" wie im deutschen Nachbarstaat.

Die Rüge der EU-Kommission hat nämlich eine konkrete Zahl als Anlass: Der Exportüberschuss soll nicht mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, Deutschland liegt seit 2007 bei sieben Prozent.