OMV-Chef Roiss: "Schwere Fehler in EU-Energiepolitik"

Geht es um die Energieversorgung mit fossilen Brennstoffen, dann hängt Österreich gleichsam am Tropf der Russen. An die 60 Prozent des heimischen Gasverbrauchs decken die Importe aus dem Riesenreich ab. In der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" spricht sich OMV-Chef Gerhard Roiss gegen Wirtschaftssanktionen gegen Russland aus - die Folgen wären nicht abschätzbar. Außerdem wirft Roiss der EU schwere Fehler in der Energiepolitik vor und fordert Anreize für die europäische Gasförderung.

Hr. Roiss

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER

Mittagsjournal, 19.4.2014

OMV-Chef Gerhard Roiss im gespräch mit Volker Obermayr.

"Speicher noch gut gefüllt"

"Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Winter sehr mild war, die Speicher sind noch ganz gut gefüllt", sagte Roiss im Ö1-Mittagsjournal. Für die nächsten Monate sei Österreich ausreichend mit Gas versorgt. Der russische Energiekonzern Gazprom liefere nach wie vor die Mengen, die bestellt sind. Auch fielen die Preise im Gegensatz dazu, was bei einer Krise erwartet werde. Langfristig sieht das nach Einschätzung des OMV-Chefs aber anders aus. Positiv sei aber, dass noch genügend Zeit vorhanden ist, das "Worst Case"-Szenario zu gestalten und die Speicher weiter aufzufüllen.

Roiss zitiert das Sprichwort "Dort wo Handel getrieben wird, dort gibt es keinen Krieg" um seine Haltung gegen Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu erklären. Österreich sei seit 50 Jahren mit Russland wirtschaftlich verflochten. Die Stärke der wirtschaftlichen Integration in Europa werde noch viel dazu beitragen, noch Schlimmeres zu verhindern, betonte Roiss.

"Konsequenzen von Sanktionen nicht abschätzbar"

"Ich glaube, wir leben in einem Zeitalter, wo man nicht in Richtung Krieg nachdenken sollte, sondern wir sollen darüber nachdenken, wie man das verhindern kann", so Roiss. "Wir alle können nicht abschätzen, was es heißt, wenn kein Gas aus Russland nach Europa kommt", gibt er zu Bedenken. Deswegen sollte nicht mit solchen Sanktionen gedroht werden.

Es gebe Länder in Osteuropa wie Bulgarien und die Slowakei, die zu hundert Prozent von den russischen Gaslieferungen abhängig sind, warnte Roiss. Es geht auch um die europäische Solidarität. "Es geht nicht an, dass die, die es sich leisten können, Energiewohlstand haben, die anderen Energienotstand", sagte der OMV-Chef. Wichtig sei ein europäischer Dialog mit Russland.

"Europa hat große Fehler gemacht"

Europa habe aus der letzten Krise im Jahr 2009 sehr wenig gelernt, stellt Roiss fest. Brüssel sei nicht bereit gewesen, die "Nabucco"-Pipeline, die jene hundert Prozent abhängigen Länder versorgt hätte, zu unterstützen. "Das sind große Fehler, die man heute als Fehler erkennt", so Roiss. Europa müsse langfristig strategisch denken, was an Infrastruktur investiert werden muss. Roiss denkt etwa an eigene Gasförderung und größere Lagerkapazitäten. Er fordert Anreize, damit europäisches Gas gefördert wird.

Die "Schrebergarten-Mentalität" in Europa ist nach Roiss Meinung immer noch vorhanden. Es werde Lokalpatriotismus betrieben und nicht über die eigenen Grenzen gedacht. "Das ist das europäische Problem, das wir nach wie vor haben", so Roiss. Es scheitere nicht an der EU-Kommission, sondern daran, dass die Länder nicht bereit sind, der EU-Kommission die Macht dafür zu geben. "Es gibt keine europäische Energiepolitik", stellt der OMV-Chef fest.

Industriestandort Österreich in Gefahr?

Zum Industriestandort Österreich erklärt Roiss, dass die OMV ein großes Investitionsprogramm im Wert von 400 Millionen Euro bekannt gegeben hat. Wenn dann Steuererhöhungen kämen, die rückwirkend sind, sei das kontraproduktiv, so Roiss. "Das sind schon Dinge, die unverständlich sind." Das würden auch die Investoren aus aller Welt nicht verstehen, wo Österreich doch gerade für andere Werte gestanden sei, bedauert der OMV-Chef.

"Es geht nicht um den Gewinn von gestern, es geht um die Investionen von morgen", sagte Roiss. Die OMV investiere jährlich 3,9 Milliarden Euro. Das Geld muss seiner Ansicht nach dort investiert werden, wo es stabile Rahmenbedingungen gibt. Wenn dann zum Beispiel in Österreich "plötzlich von heute auf morgen" nicht 140 Millionen Euroan Steuern, sondern 40 Millionen Euro mehr, gebe es Diskussionen mit den Investoren. "Das sind die Dinge, die abfärben auf den Standort Österreich - der Schaden ist ungleich größer als die 40 Millionen", betonte Roiss.