Syrisches "Radio der Hoffnung" in der Türkei

Im syrischen Bürgerkrieg wird auch vom Ausland aus von beiden Seiten ein heftiger Propagandakrieg geführt. Ein kleiner Radiosender in Istanbul will zeigen dass es auch anders geht: Syrische Journalisten, die vom Krieg vertrieben wurden, versuchen nicht nur möglichst sachliche Informationen zu liefern - sie wollen auch den Menschen zwischen den Bürgerkriegsfronten in Syrien Mut machen.

Mittagsjournal, 9.5.2014

Information statt Propaganda

Wenn man den Chef des syrischen Radiosenders "Soutraya" fragt, wo für ihn zu Hause ist, antwortet er: "In der Zukunft". Tatsächlich wirkt sein Büro im Istanbuler Geschäftsviertel Levent auf den ersten Blick etwas unwirklich: Seine Mitarbeiter sind Sunniten und Schiiten, Kurden und Christen – stammen also aus Gruppen, die in Syrien gegeneinander Krieg führen. Ein syrischer Geschäftsmann mit guten Verbindungen zu den USA finanziert den Sender. Es geht darum, den Menschen in Syrien Informationen zu liefern, nicht Propaganda. Nicht nur über die Verbrechen der Assad-Armee wird berichtet, sondern auch über die der islamistischen Opposition.

"Mich hat die Vision dieses Senders von Anfang an fasziniert", erzählt Mahmoud, der Nachrichtenchef. Er hatte vor dem Krieg in Syrien als Journalist gearbeitet. Unter schweren Einschränkungen, wie er erzählt. "Was wir hier jetzt machen, ist genau die Art von sachlichem Journalismus, die ich immer machen wollte."

Es wird viel diskutiert bei dieser jungen Radiostation. Manche der jungen Journalisten und Journalistinnen waren unter Assad im Gefängnis. Andere wurden von Al-Kaida-Leuten bedroht. Die meisten haben Verwandte und Freunde auf beiden Seiten des Bürgerkrieges. "Miteinander reden – das ist für unser Land die einzige Lösung", sagt Firas Fayyad, der Chef des Senders. "Wenn Du ein Problem hast, dann sprich mit mir, und schieß nicht auf mich, nur um deine Geschichte zu erzählen. Das ist es worum wir uns bemühen."

Hilfe für den Alltag im Krieg

Firas war vor seiner Flucht Filmregisseur. Einer seiner Mitarbeiter ist Theaterpädagoge. Sumaya war Archäologin, bevor sie in die Türkei flüchtete. Sie möchten nicht nur Nachrichten verbreiten. Mit ihrem bunten Programm wollen sie Frauen und Kinder in Syrien erreichen und ihnen helfen, mit dem Alltag im Krieg besser fertig zu werden. Die Reporterin Sumaya hat selbst noch nicht verarbeitet, dass sie ihre engsten Freunde unter einem Trümmerhaufen zurücklassen musste: "Ich war gerade einkaufen, als die Bombe in unserem Haus explodierte. Die Freunde, die mit mir in einer Wohngemeinschaft gelebt hatten, sind alle umgekommen. Zufällig hatte ich meinen Autoschlüssel in der Tasche. Während es rundum brannte und Trümmer regnete, bin ich ins Auto gestiegen, und es ließ sich starten. Nach vorne konnte ich nicht, also bin ich nach hinten losgefahren, mit meinem schwer beschädigten Wagen, einfach auf und davon."

Keine rasche Rückkehr

Seit ihrer abenteuerlichen Flucht über die türkische Grenze ist Sumaya eine von einer Million Syrern in diesem Land. Übers Internet hat sie ihren ehemaligen Freund gefunden, der schon vorher nach Ägypten geflohen war. Als Reporterin von Radio Soutraya berichtet sie über den Alltag syrischer Flüchtlinge in Istanbul, vor allem über die Kinder. Immer wieder gehen Mitarbeiter des Senders über die Grenze nach Syrien, um Hilfsprojekte für die Zurückgebliebenen zu unterstützen. Sie selbst glauben nicht, dass sie in absehbarer Zeit in ihr Land zurückkehren können. "Als ich Syrien verlassen habe, dachte ich, dass ich nach kurzer Zeit zurück kommen würde", sagt Mahmoud, der Nachrichtenchef. "Jetzt weiß ich, dass es lange dauern wird. Der Krieg wird nicht so schnell aus sein, und danach könnte es auch noch Jahre dauern, bis Leute wie ich nach Syrien zurück können."

Über dreihundert syrische Journalisten wurden seit Anfang des Bürgerkrieges getötet, über 800 verhaftet oder verschleppt, berichtet die Organisation Reporter ohne Grenzen.

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