Internationale Tagung zu Sachwalterschaft

In Österreich hat sich die Zahl der Sachwalterschaften in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Fast 60.000 Menschen sind in Österreich besachwaltert. Das seien laut Experten viel zu viele und außerdem würde die Sachwalterschaft einem selbstbestimmten Leben wiedersprechen. Deshalb beschäftigt sich derzeit eine internationale Fachtagung unter dem Motto "Ich entscheide selbst" damit, Alternativen für die Sachwalterschaft zu finden.

Mittagsjournal, 13.5.2014

Praxis hinkt hinter Gesetz zurück

In Österreich haben wir seit 30 Jahren ein Sachwalterrecht - es sollte die davor geltende Entmündigung für Menschen mit eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten ablösen. Gelungen ist das bis heute nicht, sagt Franziska Tuppa vom Vertretungsnetz Sachwalterschaft: "55 Prozent der Sachwalterschaften werden nach wie vor für alle Angelegenheiten ausgesprochen, das heißt wir kommen der früheren Entmündigung auch jetzt noch relativ nahe."

Dabei wäre das Gesetz prinzipiell sogar besser als die geübte Praxis, doch man traue Menschen mit Behinderung oder mit psychischen Erkrankungen zu wenig zu, sagt Marion Ondricek von der Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung. "Wir sind beim bestehenden Gesetz noch weit davon entfernt, das zu leben, was das Gesetz jetzt schon möglich macht. Warum kann nicht eine Richterin vermehrt an Clearing vermitteln? Sie muss nicht über Sachwalter entscheiden, man kann auch andere Wege gehen."

Vorzeigebeispiel Kanada

Es brauche eine Änderung im Denken und Ondricek nennt ein Beispiel: "Ich darf eine Operation ablehnen. Da kann vielleicht jemand der Meinung sein, es ist nicht zu meinem Wohl, dennoch ist es mein Wille, sie abzulehnen." Einem Menschen mit Behinderung, der besachwaltert ist, bleibe dieses Recht verwehrt, weil man sich absichern wolle, so Ondricek.

In Kanada wird Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen die Entscheidungsfreiheit nicht abgenommen,. Sie werden lediglich unterstützt, um eine Entscheidung zu treffen. Sie bekommen einen Vertrauten in die Seite gestellt, der den Betroffenen kennt, der Gesten deuten kann, der weiß, was der Betroffene will. Und er fungiert als Übersetzer, sagt Michael Bach, der in Kanada eine Organisation leitet, die sich für die Inklusion von behinderten Menschen einsetzt: "Als Familienmitglieder, als geliebte Menschen, kennen sie die Person, kennen sie ihre speziellen Wege zu kommunizieren, wissen sie, was eine Geste oder die verbale Kommunikation genau bedeutet."

Zusätzlich brauche es auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, da könnte Österreich auch aktiver werden. Denn immerhin ist im Artikel 12 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung festgelegt, dass jeder Mensch das Recht auf freie Willensäußerung habe. Und zur Umsetzung dieser Konvention hat sich Österreich bereits 2008 verpflichtet.