Wahlen in der Ukraine

Die Ukraine erlebt morgen einen weiteren politischen Schicksalstag: Eine Präsidentenwahl soll dem Land nach dem Sturz von Viktor Janukowitsch ein neues und demokratisch legitimiertes Staatsoberhaupt geben. Im Osten des Landes aber werden die pro-russsischen Bewaffneten die Wahl zu verhindern suchen.

Mann mit ukrainischer Flaggw

(c) APA/EPA/Jakub Kaminski

Morgenjournal, 24.5.2014

Separatisten sind von neuem Staat überzeugt

Vor dem Gebäude der Regionalverwaltung von Lugansk befinden sich aufgetürmte Autoreifen, Stacheldraht, darüber weht die Fahne der "Neuen Lugansker Volksrepublik". Ein paar Männer in Tarnanzügen, mit Automatik-Waffen bewachen das von den Separatisten besetzte Gebäude: Drinnen empfängt uns der frisch gekürte sogenannte Premierminister des nicht anerkannten Staates: Vasilij Nikitin. Der 42jährige ehemalige Geschäftsmann ist überzeugt davon, dass unter seiner Führung hier ein echter Staat entsteht, mit allem was dazu gehört, mit eigenen Pässen, eigenen Nummernschildern. Gerade erst wurde übrigens beschlossen, die Steuern jetzt direkt hier einzunehmen.

Wie Unabhängigkeit funktionieren soll ist unklar

Auf Details, wie diese Unabhängigkeit genau funktionieren soll, geht er nicht ein. Vor uns steht eine strahlende Zukunft, meint er. 96 Prozent hätten ja für die Unabhängigkeit gestimmt, ein Ergebnis besser als zu Sowjetzeiten, erklärt er stolz. Alles was er und seine Leute hier machen geschehe nur im Namen des Volkes. Die Menschen, die wir dann draußen im Stadtpark treffen, scheinen da aber nicht dazu zu gehören: Sie habe noch gar nicht begriffen, dass es so etwas wie eine Lugansker Volksrepublik nun geben soll, sagt uns eine junge Frau. Sie sei nicht zufrieden, mit dem was vorgeht im ganze Land. "All diese Menschen hier mit den Waffen, immer wieder diese Schüsse, das macht einfach Angst." Im Café daneben, winkt uns ein Mann herbei: "Wir haben doch schon einen Staat, die Ukraine, das reicht doch vollkommen. Dass geht doch nicht, dass uns da einfach von außen was aufgedrängt wird", sagt er kopfschüttelnd.

Unabhängigkeitsidee stößt auf Unverständnis

Am Nebentisch wird laut diskutiert: "Die in Kiev haben in den letzten Jahren nie ein gutes Haar an uns im Osten gelassen", sagt ein Mann wütend . Ach, sie seien einfach gegen die in Kiev und überhaupt gegen alle Politiker hier. Sie wolle in einem Land leben, wo sie von ihrer Arbeit ordentlich leben könne und ihre Kinder eine Zukunft haben. Etwas abseits zwei junge Studentinnen: "Was sollen wir mit einer unabhängigen Lugansker Volksrepublik. Da geht es uns dann noch schlechter als jetzt", sagen sie.
"Wo sind eigentlich all jene Menschen, die für die Unabhängigkeit von Lugansk gestimmt haben? Dieses Referendum war eine reine Show", sagt Igor, der als einziger uns seinen Namen nennt, da sei ja in Wirklichkeit fast niemand hingegangen."Wissen Sie, 10 Prozent sind eindeutig prorussisch hier, 10 Prozent sind proukrainische Nationalisten, die anderen 80 Prozent, ja, die sitzen zu Hause und warten ab."
Er selbst würde gerne am Sonntag von seinem Wahlrecht Gebrauch machen, aber wo? Sein Wahllokal in Lugansk wird wohl nicht aufsperren, meint er und zum Wegfahren, um in einer anderen Stadt zu wählen, fehlt ihm leider das Geld.