Hongkong drängt auf mehr Demokratie

Eine Bürgerrechtsbewegung in Hongkong will mit einem inoffiziellen Referendum für mehr Demokratie Druck auf Peking ausüben. Sie will künftig den Verwaltungschef frei wählen dürfen. 700.000 haben bereits ihre Stimme abgegeben. Die Bewegung droht, Hongkong lahm zu legen, sollten Chinas Führer diesen Wunsch ignorieren. Doch die wollen von diesen Forderungen nichts wissen.

Mittagsjournal, 23.6.2014

"Besetzt das Stadtzentrum"

Eine App für Smartphones macht es einfach. Wer als Wähler in Hongkong registriert ist, kann von unterwegs die Stimme abgeben. Trotzdem bilden sich vor den improvisierten Wahllokalen in Universitäten und auch kirchlichen Einrichtungen lange Schlangen. Die Stadtregierung Hongkongs lehnt das von der Opposition initiierte Referendum ab. Ebenso die Mächtigen in China, die den Wahlgang schon als ungültig erklärt haben, bevor er überhaupt begonnen hat.

"Die Wähler haben klar gesagt, dass sie sich wahre Demokratie in Hongkong wünschen. Keine verantwortungsvolle Regierung kann diesen Wunsch ignorieren", sagt Benny Tai, Jurist und Universitätsprofessor, der die Protestbewegung Occupy Central gegründet hat und hinter dem Referendum steht.

Bei Occupy Central, übersetzt "Besetzt das Stadtzentrum", steht der Name fürs Programm. Die Bewegung aus unterschiedlichsten Oppositionsgruppen will das Zentrum der Finanzmetropole lahm legen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. 2017 soll erstmals der Stadtverwalter Hongkongs vom Volk direkt gewählt werden. Das hat Peking zugesagt. Allerdings wollen Chinas Führer die Kandidaten vorher auswählen. Wer etwa das Mutterland nicht liebt, soll nicht antreten dürfen. Die Opposition will, dass jeder kandidieren darf. Dass die Regierung in Peking just vor dem Urnengang in einem Weißbuch ihre uneingeschränkte Autorität über Hongkong noch einmal bekräftigt hat, wird dort als offene Drohung verstanden.

Animositäten gegenüber Festlandchinesen

Die Opposition schäumt und fürchtet eine weitere Erosion demokratischer Freiheiten. Die wurden Hongkong in einer von China und der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien ausgehandelten Mini-Verfassung vor der Rückgabe Hongkongs an China 1997 garantiert, für mindestens 50 Jahre. "Ein Land – zwei Systeme" - mit dieser Formel haben Chinas Mächtige Hongkong weitreichende Autonomie zugesagt. Doch nie zuvor seit der Rückgabe waren die Animositäten der Hongkonger gegenüber den Brüdern vom Festland größer als jetzt.

Festlandchinesen, die in Hongkong massenhaft Immobilien aufkaufen, treiben die ohnehin teuren Wohnungspreise noch weiter in die Höhe. Leergekaufte Regale in Supermärkten, das von Hongkongern so empfundene rüpelhafte Benehmen vieler Festlandtouristen, das alles führt zu Misstrauen und Ablehnung gegenüber dem Mutterland, von dem man allerdings wirtschaftlich abhängig ist. Und so stehen Hongkongs Wirtschaftseliten klar auf der Seite Pekings. Tatsächlich scheint erstmals seit der Rückgabe Hongkongs an China echtes politisches Ungemach ins Haus zu stehen.

Occupy Central droht die Finanzmetropole monatelang lahmzulegen, wenn Forderungen nach mehr Demokratie nicht umgesetzt werden. Das könnte Hongkong ein Chaos bescheren und Milliarden kosten. Doch glaubt niemand, dass die Führer in Peking einlenken werden. Im Gegenteil: Ihr Druck auf Hongkong dürfte noch zunehmen.