EU-Selbstkritik nach Juncker-Bestellung

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben gestern Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident nominiert, allerdings nicht einstimmig und nru nach langem Gezerre. Damit steht das Verfahren zur Bestellung des Kommissionspräsidenten schon nach der ersten Anwendung auf dem Prüfstand.

Morgenjournal, 28.6.2014

Keine Feierstimmung

Katerstimmung am Tag nach der Nominierung des ersten vom Wähler mitbestimmten EU-Kommissionspräsidenten. Zum ersten Mal haben die EU-28 nicht einstimmig ihren Kandidaten für dieses Amt ernannt. Großbritannien und Ungarn - entschiedene Gegner Jean-Claude Junckers - wurden überstimmt. Verlierer Cameron kritisiert, dass durch das neue Prozedere die EU-Staats- und Regierungschefs Macht an das EU-Parlament verlieren.

So allein steht David Cameron mit seiner Kritik nicht, darauf weist schon allein hin, dass Jean-Claude Juncker nicht beim EU-Gipfel präsentiert wurde, auch öffentliche Gratulationen waren rat. Laut Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) war keiner der EU-Staats- und Regierungschefs zu Beginn begeistert von diesem neuen, rechtlich nicht 100 Prozent eindeutigen Verfahren, wonach der EU-Kommissionspräsident unter Berücksichtigung des Europawahlergebnisses ernannt werden muss.

Trostpflaster für Cameron

Durch die Nominierung Jean-Claude Junckers wurde Cameron ausgebremst und isoliert. Dennoch soll dem Verlierer dieses EU-Gipfels entgegengekommen werden. Vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die ja ebenso von der Dynamik des Europawahlkampfes eingeholt wurde, versucht das Verhältnis der EU zu Großbritannien zu kitten: Man habe in den Schlussfolgerungen Dinge aufgenommen, die gerade David Cameron wichtig waren. Und wenn die gesamte Kommission gewählt ist, werde man den Prozess der Bestellung im Rat diskutieren - "damit kein Missverständnis auftritt, haben wir hinzugefügt: unter Berücksichtigung der Verträge."

Ein weiteres politisches Trostpflaster ist, dass die künftigen Topposten nicht gegen den Widerstand eines Landes besetzt werden sollen. Dazu gehört die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und des EU-Ratspräsidenten Van Rompuy - beide sollen vom Gipfel einstimmig benannt werden. Der erstmögliche Termin ist in 3 Wochen bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel.

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