Afghanistan: "Kein Putsch"

Thomas Ruttig, seit Jahren Experte und Analyst Afghanistans, zweifelt an der demokratischen Legitimität der Wahl in Afghanistan. Das Ergebnis könnte sich allerdings noch ändern - immerhin werden 3,5 bis 4 Millionen der abgegebenen Stimmen von der Wahlkommission überprüft.

Mittagsjournal, 8.7.2014

Thomas Ruttig im Gespräch mit

Wahlreformen dringend notwendig

Afghanistanexperte Thomas Ruttig teilt die Zweifel an der demokratischen Legitimität der Wahl. Denn es habe sehr viele Unregelmäßigkeiten gegeben. Als Putsch möchte er die Wahl aber nicht bezeichnen. "Man muss befürchten, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt", sagt er. Denn nach dem ersten Ergebnis seien einige Anhänger Abdullah Abdullahs auf die Straße gegangen, teilweise auch bewaffnet. Abdullah Abdullah sollte, trotz berechtigter Wut, mäßigend wirken.

Die unabhängige Wahlkommission überprüft noch einmal 3,5 bis 4 Millionen der 8,1 Millionen abgegebenen Stimmen, da es sich dabei um Fälschungen handeln könnte. " Das kann das deutlich erscheinende Ergebnis noch einmal auf den Kopf stellen", sagt Ruttig. Abdullah Abdullah lag nach der ersten Wahlrunde genauso deutlich, auch fast zehn Prozentpunkte, vorne. Daher ist es für Ruttig verständlich, dass Abdullah Abdullah diesen enormen Umschwung fraglich findet.

Hamid Karsai durfte nicht mehr kandidieren. Er hat aber mit beiden Kandidaten eng zusammen gearbeitet. Beide waren Mitglieder seines Kabinetts. Karsai habe alle Wahlinstitutionen in Afghanistan mit Verbündeten und Leuten besetzt, die seinem Umfeld zuzurechnen sind, so Ruttig. Abdullah fühle sich über den Tisch gezogen und beschuldige Karsai. "Karsai kann da sicher viele Menschen beeinflussen", sagt Ruttig.

Der neue Präsident Afghanistans müsse Wahlreformen durchführen, damit es bei den nächsten Wahlen zum Parlament, die schon im nächsten Jahr anstehen, nicht schon wieder zu einer Polarisierung kommt, sagt Thomas Ruttig.