Nahost: Stufenweise Eskalation geht weiter

Immer wieder Raketenalarm in israelischen Städten - auch heute haben militante Palästinenser vom Gazastreifen aus den Großraum Tel Aviv mit Raketen angegriffen. Sie wurden durch das Abwehrsystem abgefangen. Die israelische Armee setzt ihre Angriffe im Gazastreifen fort - mehr 160 Ziele wurden beschlossen. Seit dem Beginn der Luftangriffe wurden mindestens 125 Palästinenser getöet.

Rauch steigt auf im Gaza-Streifen

(c) EPA/MOHAMMED SABER

Mittagsjournal, 9.7.2014

Erstmals weitreichende Raketen

Es ist eine abgestufte Eskalation – und gestern Abend scheint der Konflikt die nächsthöhere Stufe erreicht zu haben. In vielen israelischen Städten in großer Entfernung vom Gasastreifen heulen jetzt immer wieder die Sirenen, auch heute gab es in Tel Aviv wieder Raketenalarm. Gestern hatten die radikalen Palästinensergruppen plötzlich fast gleichzeitig mehr als 40 Raketen in verschiedene Richtungen abgefeuert, im Visier waren dabei auch Jerusalem und Tel Aviv. Einen Einschlag gab es sogar in der Stadt Hedera nördlich von Tel Aviv, mehr als 100 Kilometer vom Gasastreifen. Es war das erste Mal, dass die Hamas im gegenwärtigen Schlagabtausch Raketen mit einer Reichweite von 70 und mehr Kilometern eingesetzt hat, die das dicht bevölkerte Landeszentrum Israels erreichen können. Viele der angreifenden Raketen werden noch im Flug vom Abwehrsystem „Eiserne Kuppel“ abgefangen – das ist anscheinend mit ein Grund dafür, dass in Israel in den letzten Wochen, in denen das Raketenfeuer immer heftiger geworden ist, bisher niemand dadurch getötet wurde.

160 Ziele in einer Nacht

Israel setzt indessen die intensive Luftoperation fort, die vor zwei Tagen angelaufen ist, und im Gasastreifen steigt die Zahl der Toten und Verletzten. In der Nacht seien dort 160 Ziele angegriffen worden, teilte die Armee mit. Man habe dabei Raketenwerfer, Waffenlager, Tunnel und Hamas-Kommandopositionen zerstört. In der Nacht sollen im Gasastreifen mindestens fünf Menschen getötet worden sein, insgesamt wurden damit seit dem Beginn der Luftschläge mindestens 25 Palästinenser getötet. Insbesondere unternimmt Israel weiterhin gezielte Schläge gegen Kommandanten der Hamas und des Islamischen Dschihad. In einem Fall wurde im nördlichen Gasastreifen ein Dschihad-Aktivist getötet, als er mit seinem Motorrad unterwegs – er soll für die Raketenabschüsse aus dieser Zone verantwortlich gewesen sein. Regelmäßig werden auch Wohnhäuser von namentlich bekannten Hamas-Aktivisten beschossen, die die Häuser als Kommandoposten benützt haben sollen – dabei werden die Bewohner zwar anscheinend zuvor gewarnt, aber es sind offenbar auch Familienmitglieder getötet worden.

Erst der Anfang

Von einem Ende der Krise ist vorläufig keine Rede – im Gegenteil, aus Armeequellen heißt es, man sei erst am Anfang des Kampfes. Die Hamas hat sicher noch viele Raketen mit großer Reichweite und scheint auch gewillt, sie einzusetzen. Israelische Bodentruppen sind weiterhin an der Grenze zum Gasastreifen in Wartestellung – ob sie auch wirklich den Marschbefehl bekommen, ist weiterhin ungewiss. Bei den Beratungen im israelischen Kabinett soll auch der Vorschlag gemacht worden sein, die Lieferungen von Strom und Kraftstoff in den Gasastreifen einzustellen, um die Hamas weiter unter Druck zu setzen. Von irgendwelchen Versuchen, einen Waffenstillstand zu vermitteln, hört man jetzt nichts – die Ägypter scheinen ihre Bemühungen aufgegeben zu haben. Und es gibt zwar internationale Appelle, die Feindseligkeiten einzustellen, aber die klingen relativ lau.

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