Ukrainischer Flugzeugabschuss: Vermutungen und Vorwürfe

Über der Ostukraine ist gestern nachmittag ein Passagierflugzeug der Malaysia Airlines mit fast 300 Menschen an Bord abgeschossen worden. Dass es sich um ein Unglück handelt, der Jet also nicht von einer Rakete getroffen wurde, davon geht heute niemand mehr aus. Über Hergang und Verschulden gibt es aber bisher nur Vermutungen und Vorwürfe.

Brennende Wrackteile des Flugzeuges

(c) EPA/ALYONA ZYKINA

Mittagsjournal, 18.7.2014

In zehn Kilometer Höhe getroffen

Bis jetzt gibt es nur wenig gesichertes Wissen über den Flugzeugabschuss. Gestartet ist die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH 17 und 298 Personen an Bord gestern um 12.15 Uhr. Vier Stunden später verschwand sie vom Radar, ohne einen Notruf abgesetzt zu haben. Dass das Flugzeug abgeschossen wurde, gilt als sicher, ist aber noch nicht bewiesen. Die Maschine hat die Ukraine in einer Höhe von etwa 10.000 Metern überquert, gesperrt war der Luftraum nicht.

Nur ein hoch entwickeltes Waffensystem kann ein Flugzeug in so großer Höhe erreichen, sagen Experten. Das deutet auf das mobile Flugabwehrsystem BUK hin. So ein russisches System haben die Separatisten in der Ostukraine nach eigenen Angaben vor kurzem von der ukrainischen Armee erbeutet.

Mitschnitt veröffentlicht

Unmittelbar nach dem Abschuss hat ein regelrechter Propagandakrieg beider Seiten mit gegenseitigen Schuldzuweisungen begonnen. Der ukrainische Geheimdienst hat deshalb einen Tonbandmitschnitt veröffentlicht, in der ein angeblicher Major davon spricht, dass gerade ein Zivilflugzeug abgeschossen wurde: "Ja, Major?" - "Das heißt, Tschernuchin hat das Flugzeug abgeschossen. Vom Checkpoint Tschernuchin. Dort sind Kosaken stationiert. Das Flugzeug hat sich in seine Teile aufgelöst." - "Zivilisten?" - "Ein Zivilflugzeug." - "Sind dort viele Leute?" - "Es gibt Wrackteile auch in den Gärten." - "Welche Art Flugzeug?" - " Weiß ich noch nicht. Ich habe geschaut, wo die Leichen liegen. Überall Flugzeugteile, Sitze, Körper. "Waffen?" - "Absolut keine." - "Dokumente?" - "Ja, indonesische Studenten von der Thompson Universität."

Bisher gibt es keine unabhängige Bestätigung für die Echtheit dieses Mitschnitts. Einige Indizien lassen aber den Schluss zu, dass tatsächlich die pro-russischen Separatisten das Flugzeug vom Himmel geholt haben. Jedenfalls haben sie eine mehrtägige Waffenruhe ausgerufen, damit internationale Experten die Stelle untersuchen können, an der die Flugzeugwrackteile liegen.

Trauer, Schock, Entsetzen

Die Malaysia Airlines, die heuer schon auf mysteriöse Weise den Flug MH370 verloren haben, wollen den Angehörigen ermöglichen, in Sicherheit an die Absturzstelle zu kommen. Von den 298 Menschen an Bord hat niemand überlebt. Die meisten Reisenden kamen aus den Niederlanden, aus Malaysia, Australien und Indonesien. die Nationalität von 41 Passagieren ist noch nicht geklärt. Am Flughafen Schipol in Amsterdam herrscht Trauer.

Inzwischen hat die Ukraine der Luftraum über der Konfliktzone zwischen Donetzk und Lugansk gesperrt. Davor haben bereits einige Fluglinien angekündigt, dieses Gebiet ab sofort zu umfliegen. Australien hat den russischen Botschafter ins Außenministerium zitiert und erwartet volle Kooperation Russlands bei der Aufklärung. In Großbritannien wird das Sicherheitskabinett tagen, am Nachmittag beschäftigt sich auch der UNO-Sicherheitsrat mit dem Thema.