Ukraine: Freischärler gegen Separatisten
Die Ukraine will bis zum Ende des Jahres 2017 mehr als zwei Milliarden Euro in ihre Aufrüstung investieren. Woher das Geld kommen soll - außer vom Westen, ist unklar. Darüber hinaus muss die Ukraine aber offensichtlich auch aufrüsten, weil ihre Streitkräfte von einem raschen Sieg über die prorussischen Rebellen offenbar weit entfernt sind. Gegen sie kämpfen auch Freischärler wie das Bataillon Donbass und dessen Kommandant, Semjon Sementschenko.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.8.2014
"Ich bin Patriot"
Semjon Sementschenko ist einen Meter achtzig groß, von bulliger, durchtrainierter Gestalt. Der 40-jährige ist Kommandant des 500 Mann starken Bataillon Donbass, das auch so heißt, weil es vor allem aus Ukrainer besteht, die aus dieser Region stammen. Sementschenko wurde auf der Halbinsel Krim geboren, diente in den ukrainischen Streitkräften und arbeitete dann bis Kriegsbeginn in einer privaten Sicherheitsfirma. Bei Interviews trägt er zum Schutz seiner Angehörigen eine Maske; dem Klischeebild des westukrainischen Nationalisten entspricht seine Herkunft nicht. Semjon Sementschenko: "Mein Großvater kämpfte für die Sowjetunion und ich wurde im Geiste des sowjetischen Patriotismus erzogen, an den ich aufrichtig geglaubt habe. Ich war 18 als die UdSSR zerfiel und habe darunter gelitten, weil ich nichts Schlechtes an ihr sehen konnte. Ich bin nicht einmal ein Nationalist, weil ich Russe bin. Ich bin Patriot. Mein Land war die UdSSR, doch schließlich habe ich gesehen, dass die Ukraine mein Land sein kann. Meine Mutter und meine Frau sind Ukrainerinnen."
"Krieg kann lange dauern"
Das Bataillon Donbass wurde vor fünf Monaten aufgestellt. Seit drei Monaten steht es im Kampfeinsatz in der Ostukraine. Mit einem raschen Ende des Krieges rechnet Semjon Sementschenko nicht: "Noch vor einem Monat hätte ich gesagt, vielleicht noch sechs Monate; und zwar unter der Bedingung einer schnellen Modernisierung der Streitkräfte und der Vereinfachung ihrer Verwaltung. Notwendig wären auch eine Änderung der Führung und der Befehlskette und der Taktik. Doch das geschieht nicht. Daher kann ich nicht bewerten, wie lange der Krieg noch dauert. Immer mehr ist das kein Krieg gegen sagenhafte Freischärler, sondern gegen Terroristen-Söldner und Kader der russischen Armee, sowie der ukrainischen Armee und Freiwilligen-Verbänden. Wenn es keine Aussöhnung gibt, kann das noch sehr lange dauern." Das gilt insbesondere für die Kämpfe um die Großstädte Lugansk und Donezk. Während immer mehr Bewohner von Krieg und Versorgungskrise fliehen, können sich die Rebellen behaupten.
Zur Rückeroberung von Donezk und Lugansk plädiert Semjon Sementschenko für folgende Taktik: "Erstens muss man die Taktik kleiner Spezialeinheiten anwenden, die sehr gut ausgebildet sind und selbständig handeln können. Zweitens muss man die Kommunikation der Rebellen bekämpfen, damit sie sich in ihrem Rücken und in den besetzten Städten sehr unbehaglich fühlen."
Semjon Sementschenko zählt zu den Aktivisten der Majdan-Bewegung in Kiew, die Ende Februar den Sturz des korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch erzwangen. Ist die Ukraine nun, sechs Monate später, auf dem Weg zu dem Staat, für den die Majdan-Bewegung kämpfte? Dazu sagt Semjon Sementschenko: "Natürlich nicht; Was wir jetzt haben, ähnelt unserem Traum überhaupt nicht. Wir wollen einen Staat, in dem sich die Menschen entwickeln können und nicht als Gastarbeiter ins Ausland gehen. Abstrakt gesehen, wollen wir einen Staat, wo man sein Glück machen kann, wie in den skandinavischen Staaten. Unser Staat muss gerechter, sozialer und menschlicher werden. Damit hat die heutige Ukraine nichts zu tun. Doch man muss schrittweise vorgehen. Jetzt haben wir einen äußeren Feind. Später werden wir entweder mit den staatlichen Kräften, wenn sie wirklich patriotisch sind, einen neuen Staat aufbauen, oder wir werden für die Ukraine kämpfen, die wir uns erträumen."