Europaweite Flüchtlingsmisere

Zeltstädte für Flüchtlinge hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gestern angekündigt. Die Aufteilung der Asylwerber funktioniert in Österreich seit Jahren nicht so wie vereinbart, aber in anderen EU-Ländern ist es nicht besser. Eine europaweite Flüchtlingspolitik gibt es nach wie vor nicht.

Mittagsjournal, 29.8.2014

Frage der gelebten Solidarität

Ein Armutszeugnis für Österreich sei das, wenn Asylwerber in Zelten untergebracht werden - so die Kritiker gestern zum Vorschlag der Innenministerin. Ganz so weit geht Menschenrechtsexperte Manfred Nowak nicht. Es komme darauf an, wie lange und unter welchen Bedingungen. Dass die Unterbringung von Asylsuchenden seit Jahren nicht reibungslos funktioniert - da sei das Wort aber angebracht. Flüchtlinge würden prinzipiell als Sicherheitsrisiko und Sozialschmarotzer betrachtet. Aber es geht zurück auf eine sehr wenig solidarische Haltung vieler Länder. "Es ist eigentlich ein Armutszeugnis für die gesamte Flüchtlingspolitik der Republik Österreich."

Aber die Entwicklungen verdrängen hilft nicht, sagt Karl Kopp vom Verein Pro Asyl in Frankfurt. Es sei absehbar gewesen, dass die Zahl der Flüchtlinge steigen wird - auch angesichts der vielen Krisenherde weltweit. Aber die EU habe das verschlafen. "Die Menschen werde so oder so kommen, wir entscheiden jetzt, ob wir es menschenwürdig und menschenrechtskonform gestalten oder nicht." Dazu brauche es Solidarität, wie es in jedem EU-Vertrag stehe, das müsse jetzt auch gelebt werden.

Auf den Standpunkt kommt es an

Also endlich eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik? Bisher haben die Mittelmeerländer vergeblich Solidarität der anderen EU-Länder eingefordert, sagt Karl Kopp. Zu viele Interessen stehen einander entgegen: "Momentan gibt es keinen Grund für Optimismus. Europa ist nicht einmal in der Lage, gemeinsam die Seenot-Rettung im Mittelmeer zu organisieren und zu finanzieren. Da sterben 1.100 Menschen und die Minister reden vom "Pull-Faktor". Es stört sie, dass überhaupt Menschen gerettet werden, hat man manchmal den Eindruck. Wir brauchen einen Politikwechsel."

Allein in Italien sind dieses Jahr schon 98.000 Bootsflüchtlinge angekommen. Aber Länder wie Deutschland oder auch Österreich wollen das bestehende Dublin-System, das regelt, wer so sein Asylverfahren bekommt, nicht ändern - eben immer eine Frage der Perspektive, sagt Manfred Nowak: "Sobald wir nicht mehr Außengrenze sind, sind wir plötzlich glühende Vertreter des Dublin-Systems, weil wir wissen, dass Griechenland viel stärker drunter leidet. Es ist wirklich eine nicht-solidarische, sondern auf dem Floriani-Prinzip beruhende Politik. Und das ist ein Armutszeugnis, wiederholt Nowak. Karl Kopp fordert außerdem einen Finanzausgleich für Länder, die viel für den Flüchtlingsschutz tun - aber auch da ist er derzeit wenig optimistisch.

Übersicht

  • Migration