Landesschulratsvize: Das sagt die Verfassung

Proporzposten, die für fünf von neun Bundesländern von der Verfassung vorgeschrieben sind: das ist eine österreichische Spezialität. Und der entsprechende Artikel 81a der Bundesverfassung ist ein Gusto-Stückerl für sich.

Mittagsjournal, 11.9.2014

Die österreichische Bundesverfassung wird ja dauernd irgendwo geändert und ist entsprechend unübersichtlich. Auch der Artikel 81a des Bundes-Verfassungsgesetzes ist schon öfter geändert worden, zuletzt deswegen weil die Bezirksschulräte abgeschafft und die Verweise darauf aus der Verfassung gestrichen worden sind. Doch die Bestimmung über die Vizepräsidenten der Landesschulräte hat mehr als fünfzig Jahre überdauert, mit kuriosen Folgen. Wörtlich heißt es in der Verfassung:

"Ein solcher Vizepräsident ist jedenfalls in jenen fünf Ländern zu bestellen, die nach dem Ergebnis der letzten vor dem Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes durchgeführten amtlichen Volkszählung die meisten Einwohner haben."

Das hier angesprochene Ausführungsgesetz zum Artikel 81a ist im Juli 1962 in Kraft getreten, die entscheidende Volkszählung hat im Jahr davor stattgefunden. Und damals wie heute waren die vier größten Bundesländer gemessen an der Bevölkerung Wien, Nieder- und Oberösterreich sowie Steiermark. Das fünftgrößte Bundesland war damals Kärnten, und deshalb hat Kärnten bis heute einen Vizepräsidenten-Pflichtposten im Landesschulrat.

Die Verfassung erzwingt das, obwohl seit gut 40 Jahren Tirol das fünftgrößte Bundesland ist und heute fast 200.000 Einwohner mehr hat als Kärnten. Doch Tirol hatte nie einen Vizepräsidenten im Landesschulrat. Dem Sinn nach ist das eigentlich ein Verstoß gegen die Verfassung, doch den Buchstaben nach ist natürlich alles korrekt. Womit jedenfalls bewiesen wäre, dass nicht alles einen Sinn hat, was in der Verfassung steht.