Frankreich in der Abwärtsspirale

In Mailand kommen heute und morgen die Finanzminister der Eurozone zu einem informellen Ecofin-Gipfel zusammen, bei dem auch Wachstum fördernde Maßnahmen in Europa und das von Juncker angekündigte 300 Milliarden Investitionsprogramm ein Thema sein werden. Mit am Tisch, Michel Sapin, der französische Finanzminister, der kurz vor dem Treffen das ganze Ausmaß der Wirtschaftskrise, der quasi Stagnation und sogar des erneut wachsenden Haushaltsdefizits in seinem Land öffentlich eingestehen musste. Frankreich, seit geraumer Zeit schon, immer wieder als „der kranke Mann Europas“ bezeichnet, scheint keinen Weg aus der Krise zu finden.

Morgenjournal, 12.9.2014

Aus Paris,

Defizit steigt

Es war eine Art Offenbarungseid mit dem Frankreichs Finanzminister vor die Presse treten musste, just zur Stunde, da in Brüssel die neue EU-Kommission vorgestellt wurde: nicht nur dass die Inflation gefährlich niedrig an der Deflation liegt, das Wachstum 2014 mit nur 0,4% nicht mal halb so hoch ausfallen wird, wie prognostiziert – jetzt hat sogar auch noch das Haushaltsdefizit, nachdem es drei Jahre hintereinander rückläufig war, wieder zugelegt. Michel Sapin: Das Defizit der öffentlichen Haushalte wird 2014 bei 4,4 % liegen und ist damit leicht höher als im letzten Jahr.

Eigentlich waren 3,8% angepeilt und 3% 2015 - nun hofft Frankreich bestenfalls im Jahr 2017 die 3% Marke zu erreichen - es ist mittlerweile der 3. Aufschub in nur 6 Jahren, den Paris einfordert.

„Frankreich – diskreditiert und im Abseits“ lautet der Titel des heutigen Leitartikels der Tageszeitung „Le Monde“, in dem den Regierungen in Paris, ob links oder rechts, vorgehalten wird, sich um eine echte Sparpolitik zu drücken und Strukturreformen seit 20 Jahren auf die lange Bank zu schieben. Nichts anderes sagt der Autor und ehemalige Berater von Präsident Francois Mitterrand, Jacques Attali: Das kann nicht so weitergehen, wir bewegen uns auf eine Katastrophe zu. Man muss die Ausgaben kürzen, denn leider kann man die Steuern wirklich nicht mehr erhöhen, sie haben ein katastrophales Niveau erreicht. Es gibt zahllose Verschwendungen, und man muss Bedingungen für Wachstum schaffen, um neue Einnahmen zu bekommen. Kurzum: erstens Sparen und zweitens Strukturreformen angehen.

Immerhin: Präsident Hollande will an den öffentlichen Einsparungen von 50 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren - 21 allein 2015 – festhalten und im Gegenzug die Unternehmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit um 40 Milliarden entlasten.

Für den linken Flügel der sozialistischen Fraktion sind die neuesten Wirtschaftsdaten aber der Beweis dafür, dass Francois Hollandes Spar- und Angebotspolitik nicht funktioniert, das Land in die Rezession treibt – wachstumsfördernde Maßnahmen müssten Vorrang haben vor der Defizitbekämpfung, sagen sie und berufen sich dabei u.a. auf Träger des Wirtschaftsnobelpreises oder IWF Chefin Lagarde – der Rückgang der öffentlichen Investitionen auf Grund der Einsparungen ersticke das schwächelnde Wachstum vollends.

Dem wiederum halten viele Wirtschaftsexperten entgegen, dass die Staatsquote, d.h. der Anteil des Staates an der gesamtwirtschaftlichen Leistung, in Frankreich heute schon mit 57% so extrem hoch ist, wie in keinem anderen europäischen Land, fast 10% höher als z.B. beim Nachbarn Deutschland.

Die nächste schlechte Nachricht über den Zustand der Wirtschaft könnte der französischen Regierung schon kommende Woche ins Haus stehen: dann wird die Ratingagentur Moodys ihre Bewertung für Frankreich veröffentlichen – und die Note mit ziemlicher Sicherheit senken.