Heikle Mission in Aserbaidschan

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) war in dieser Woche in Aserbeidschan, begleitet von österreichischen Wirtschaftslobbyisten - eine heikle Mission: Einerseits geht es um die Wirtschaftsbeziehungen, andererseits will Kurz die Menschenrechtssituation in den Ländern, die er besucht, nicht unerwähnt lassen. Und in Aserbeidschan lässt unter dem Druck der Ukraine-Krise der autoritär regierende Präsident Ilham Aliev jede Woche mehrere Menschenrechtsaktivisten verhaften.

Mittagsjournal, 13.9.2014

Aus Baku,

Sie arbeiteten an einer Liste politischer Gefangener in Aserbaidschan als sie im August selbst verhaftet wurden: Leyla Yunus und ihre Ehemann Arif. Der Vorwurf: Sie sollen für den Erzfeind Armenien spioniert haben. Die Liste der politischen Gefangene wurde trotzdem veröffentlicht und sie wird ständig länger: 98 Personen sitzen demnach aus politisch motivierten Gründen in aserbaidschanischen Gefängnissen. Angeklagt wegen angeblichen Drogenbesitzes, Schlägereien oder eben Spionage. Die Vorgangsweise erinnere ihn an ein Sprichwort aus der Sowjetunion kommentiert das der Publizist Zardust Alisadeh. Wenn die Obrigkeit will wird sich schon ein Paragraph finden.

Der Reihe nach werden bekannte Menschenrechtsaktivisten verhaftet, Journalisten, also genau der Teil der Zivilgesellschaft der gut reden und schreiben kann um so Kritik und andere Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Die Verfahren werden von oben angeordnet und die Schrauben werden ständig angezogen.

Eine, die den Druck der Führung selbst zu spüren bekommen hat ist die Journalistin Khadiya Ismailova. Sie hat vor mehreren Jahren aufgedeckt dass viele ehemalige Staatsunternehmen und große Firmen über Scheinkonstruktionen der Familie des Präsidenten Aliew gehören. Kurz darauf tauchten im Internet intime Videos und Fotos von ihr auf, verbunden mit Drohungen, sie solle ihre Arbeit einstellen. Der Westen habe gegenüber dem was in Aserbaidschan passiert viel zu lange die Augen verschlossen, klagt Ismailova: Wir haben unser Land früher Demokratur genannt - eine Diktatur die so tut als wär sie eine Demokratie. Inzwischen wird das nicht einmal mehr versucht, statt dessen kommt es zu einer massiven Unterdrückung.

Es bleibt nicht bei Verhaftungen und Einschüchterungen. Im Sommer hat die Führung unter verschiedenen Vorwänden praktisch allen kritischen NGOs die Konten gesperrt, sie stehen vor dem finanziellen Aus. Das sei alles pure Übertreibung erklärt dazu der aserbaidschanische Außenminister Elmar Mammadjarow bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Sebastian Kurz: Ich verstehe dass sie ein bisschen aufgeregt sind und Aserbaidschan wegen Menschenrechten und Demokratie anklagen wollen. Aber bleiben sie nüchtern. Ich glaube nicht dass die Lage in diesem Bereich schlecht ist, und sogar besser als in einigen Mitgliedsstaaten der EU. Aserbaidschan macht in diesem Bereich einen guten Job!

Vertreter der Zivilgesellschaft sehen das anders. Im Mai hatten noch viele gehofft dass der Druck wenigstens vorübergehend nachlässt, als Aserbaidschan turnusgemäß den Vorsitz im Europarat übernahm, der sich normalerweise besonders für Menschenrechte einsetzt. Doch bereits einen Tag nach der Übernahme des Vorsitzes wurde ein Journalist zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt erzählt der Blogger Turgut Gambar: Dass Aserbaidschan den Europarat quasi gekauft hat und jetzt alle wesentlichen Abstimmungen beeinflusst ist wirklich traurig. Wir hatten gehofft dass der Europarat Aserbaidschan verändert, tatsächlich verändert aber Aserbaidschan den Europarat, und das ist besorgniserregend!

Die Verhaftungswelle sei daher - neben internen Gründen - auch ein Signal an Europa. Dass die Führung in Aserbaidschan sich angesichts der Krisen in der Ukraine, im Nahen Osten und dank der großen Öl- und Gasvorräte für stark genug hält um sich keine Moralpredigten aus dem Westen mehr anhören zu müssen.