Politologe: "IS als kleineres Übel" für Türkei

Seit 30 Jahren betrachtet die Türkei die Kurden und ihre Organisation PKK als Terroristen. Das sei auch der Hauptgrund, warum die Regierung in Ankara nicht in den Kampf um Kobane gegen den IS eingreift, analysiert der türkische Politologe Ekrem Güzeldere. Dazu kämen islamistische Gruppen innerhalb der Türkei, die gegen Anhänger der PKK vorgehen. "Das ist das Resultat dieser Politik des Abwartens", so Güzeldere. Für die Türkei sei der IS das "kleinere Übel".

Morgenjournal, 8.10.2014

Der türkische Politologe Ekrem Güzeldere im Gespräch mit Cornelia Vospernik

"IS als kleineres Übel"

Die Radikalisierung sei ein Produkt der Politik des Abwartens, so Güzeldere. Diese nun aktive Islamistische Gruppe sei in den 90er-Jahren gegründet worden, um gegen die PKK zu kämpfen und hat mittlerweile eine Partei (Hür Dava Partisi, Abkürzung Hüda Par, zu deutsch "Partei der Freien Sache") gegründet, und die nütze die Gunst der Stunde, um sich stärker ins Gespräch zu bringen.

Grundsätzlich ist der IS für die türkische Regierung das kleinere Übel als die Kurden, sagt Güzeldere: "Sollten die die Stadt Kobane übernehmen, wird man sich schon irgendwie einigen können. Man hat sich ja auch bei der Geiselbefreiung vor einigen Wochen mit IS einigen können. Die Kurden Kobanes hingegen organisieren sich nach einem Modell der PKK und sind politisch und vor allem gesellschaftlich ein Gegenmodell zur AKP und sunnitisch konservativen Bewegungen. Es ist multi-ethnisch organisiert, es gibt Schulen in mehreren Sprachen, politisch hat man eine Doppelspitze aus Mann und Frau, es gibt eine hohe Frauenquote und kämpfende Frauen in den militärischen Einheiten. Deswegen ist das so ziemlich das Gegenteil von dem, was die AKP politisch und gesellschaftlich möchte."

Die türkische Regierung werde auf jeden Fall keine Bodentruppen schicken, wenn sie dafür nicht etwas bekommt, nämlich, dass sich die Koaltion auch gegen den syrischen Staatscehf Assad richtet - etwas, dass aufgrund der US-Haltung unvorstellbar ist. Daher werde sich in den nächsten Tagen wenig tun, abgesehen von weiteren Luftschlägen.