Russland: Rubelverfall und hohe Preise
Die wirtschaftlichen Probleme Russlands - ausgelöst durch den Ölpreisverfall und die westlichen Sanktionen - sind jetzt nicht mehr nur für einige wenige Geschäftsleute spürbar: Praktisch jeden Russen trifft die Wirtschaftsflaute inzwischen - und was für die meisten besonders schmerzhaft ist, ist, dass die Preise vor allem für Lebensmittel rasant steigen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.2.2015
Aus Moskau,
Es ist eine Krise, eine echte Krise, meint eine junge Verkäuferin, die sich vor einem kleinen Einkaufszentrum in einer stillen Wohngegend Moskau eine Zigarette angezündet hat:
An Urlaub oder Freizeitaktivitäten braucht man gar nicht mehr denken, jetzt geht es nur noch darum, irgendwie die Familie, die Kinder zu ernähren, klagt sie. Seit Dezember steigen die Preise in Russland nämlich rasant: Tomaten, Gurken, Weintrauben, alles ist teurer geworden, mindestens das doppelte kostet es jetzt, meint ein Mann, der gerade aus dem Einkaufszentrum kommt. Bei den Milchprodukten ist es besonders schlimm, sagt eine Studentin. Sie hat bereits Konsequenzen gezogen: Sparen - und in anderen Geschäften einkaufen, wo es billiger ist. Ich bin jetzt gezwungen, mich bei der Freizeitgestaltung einzuschränken. Bei der Kleidung spare ich, weil Essen will man ja doch etwas.
Bei Lebensmitteln schränke sie sich zwar nicht ein, meint auch eine Büroangestellte, aber was jetzt nicht mehr drin ist, ist ein Urlaub in Italien oder Spanien wie in den vergangenen Jahren. - Schon seit Dezember gibt es kaum mehr jemanden in Russland, der es nicht spürt, dass die Wirtschaft in eine Rezession gerutscht ist. Erstmals in den 15 Jahren, in denen Wladimir Putin die russische Politik dominiert, sinken plötzlich die Reallöhne, die Kaufkraft wird von der rasant in die Höhe geschnellten Inflation rasch aufgezehrt.
15 Prozent im Jahresabstand hat die Inflationsrate im Jänner bereits betragen, doch für einzelne Waren, vor allem Lebensmittel, liegen die Preissteigerungen noch weit darüber: Von einem "Tomaten-Wahnsinn" spricht etwa die Zeitung "Nowye Iswestija": Sie hat die Preise in 4 Supermarktketten verglichen - Tomaten sind allein im Monat Jänner im Schnitt um 62 Prozent teurer geworden. Kartoffeln und Kraut kosten in Moskau nun rund 3 mal so viel wie im Herbst, und deutlich sind die Preiszuwächse auch bei Milch, Eiern, Fleisch und Fisch.
Die Preise sind schneller gestiegen als wir das wollten, muss Vizeregierungschef Arkady Dworkowitsch diese Woche in einem Fernsehinterview einräumen. Für den ersten Preisschub bei Lebensmitteln im vergangenen Herbst ist die russische Regierung jedenfalls ziemlich direkt selbst verantwortlich: Sie hat ja im Sommer als Antwort auf die europäischen und amerikanischen Wirtschaftssanktionen Gegen-Sanktionen verhängt - ein Einfuhrverbot für viele Arten westlicher Lebensmittel. Das hat die Preise für russische Lebensmittel und die verbliebenen Importe aus anderen Weltgegenden sofort in die Höhe schnellen lassen.
Ein zweiter Preisschub folgte dann mit dem massiven Verfall des Rubelkurses im Dezember, der wiederum vor allem durch den Preissturz bei Russland wichtigstem Exportgut Erdöl, aber auch durch die westlichen Wirtschaftssanktionen ausgelöst wurde.
Importwaren sind nun für viele bereits unerschwinglich teuer geworden. Doch auch, wenn zumindest für einen Teil des Preisanstiegs die russische Politik direkt verantwortlich ist, eine Änderung dieser Politik wünschen die meisten hier nicht: Irgendwie habe man auf die westlichen Sanktionen doch antworten müssen, meint ein junger Handelsvertreter, die Gegensanktionen seien jedenfalls gerechtfertigt. Ein weiterer junger Mann stimmt ihm zu. Jetzt komme es darauf an, hart gegenüber dem Westen zu bleiben: Russen ergeben sich niemals, im Krieg hat man sie nicht besiegen können, und mit Sanktionen schon gar nicht, meint er. Hat Putin also alles richtig gemacht? Ja, sagen die meisten hier, eine junge Frau widerspricht dann aber doch: Die Regierung sollte vor allem an die Menschen denken und nicht an Kriege, daran, dass die Menschen normal leben können, meint sie. Doch es ist das eine Meinung, mit der die Frau zur Zeit in Russland in der Minderheit bleibt.