Afghanischer Präsident auf US-Besuch

Der Krieg in Afghanistan ist offiziell beendet - doch der Abzug der internationalen Truppen aus dem nach wie vor heftig umkämpften Land ist umstritten. Auch der neue afghanische Präsident Ashraf Ghani warnt vor einem Sicherheitsvakuum, das vor allem Terrorgruppen in die Hände spielen könnte. Bei seinem heutigen Amtsantrittsbesuch in Washington will Ghani versuchen, die Amerikaner davon zu überzeugen, doch länger als geplant die Stellung in Afghanistan zu halten.

Morgenjournal, 24.3.2015

Es ist der erste Washington-Besuch des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani seit dessen Amtsantritt im September – aber verglichen mit der frostigen Stimmung bei seinem Vorgänger Hamid Karzai, ist dieser Besuch fast überschwänglich herzlich: jetzt beginnt eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen den USA und Afghanistan, schwärmt Außenminister John Kerry.

Und auch Ashraf Ghani wird nicht müde zu betonen, dass dies ein Treffen unter Freunden ist: Wir sind den Amerikanern zutiefst dankbar, sagt er. Sie haben Seite an Seite mit uns gekämpft. Mehr als 2000 Soldaten haben ihr in unserem Lang gelassen. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit – und jetzt haben wir ein gemeinsames Interesse.

Und zwar ein stabiles Afghanistan. Doch davon scheint das Land noch weit entfernt. Zwar führen die afghanischen Sicherheitskräfte mittlerweile 95% der Einsätze ohne internationale Hilfe durch. Aber allein im vergangenen Jahr starben mehr als 1300 afghanische Soldaten, so viele wie seit Jahren nicht mehr. Außerdem kamen fast 4.000 Zivilisten ums Leben.

Die Taliban kontrollieren nach wie vor weite Teile im Süden und Osten des Landes. Und laut jüngsten Berichten der UNO versucht nun auch die Terrormiliz IS, in Afghanistan Fuß fassen: Terrorismus ist eine ständige Bedrohung, warnt Ghani bei seiner gestrigen Rede im Pentagon. Aber die Bevölkerung von Afghanistan habe nach 36 Jahren Krieg genug – und sei bereit sich dieser Bedrohung zu widersetzen.

Dafür brauche sein Land aber weiterhin die Hilfe der USA, sagt Ghani: Die USA sind von großer Bedeutung für uns. Sollten wir den Gefahren, denen wir jeden Tag ausgesetzt sind, nicht standhalten können, dann wäre das eine Bedrohung für die ganze Welt

Derzeit befinden sich noch rund 10.000 US Soldaten in Afghanistan, die seit dem offiziellen Kriegsende im Rahmen einer Nachfolgemission die afghanische Armee beraten und trainieren. Präsident Obama hatte eigentlich vorgehabt, diese Zahl noch in diesem Jahr zu halbieren - und mit Ende 2016 alle Soldaten aus Afghanistan abzuziehen.

Aber nicht nur Afghanistans Regierung - auch immer mehr Stimmen in Washington stellen diesen Plan in Frage. Wenn die internationalen Truppen abziehen, dann ist auch bald das internationale Geld weg, sagt Scott Smith vom US Institute for Peace in Washington DC. Und Afghanistan braucht dieses Geld, um das Land zusammenzuhalten, die Wirtschaft auf die Beine zu bekommen, und als starker Verhandlungspartner die Friedensgespräche mit den Taliban voranzutreiben

Außerdem hätte eine bestehende Basis auch Vorteile für die USA, sagt die ehemalige Vizeverteidigungsministerin Michele Flournoy. Vor allem die Geheimdienste fürchten, dass sie dadurch die Region aus den Augen verlieren. Wir brauchen Leute vor Ort, die mit den afghanischen Behörden zusammenarbeiten, damit wir wissen, was sich in dieser immer noch kritischen Region tut

Also doch nicht ganz raus aus Afghanistan? Im kriegsmüden Amerika ist nicht nur Barack von diesen Plänen wenig begeistert. „Wir werden euch keine Last sein“, verspricht Ghani. Aber da muss der afghanische Präsident heute wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.