Pflege: Konfliktpotenzial bei neuem Erbrecht

Pflegende Angehörige sollen im Erbfall stärker berücksichtigt werden - das ist eines der zentralen Elemente im reformierten Erbrecht, das gerade in Begutachtung ist. In dem Entwurf ist aber noch einiges unklar, kritisiert die Interessenvertretung der pflegenden Angehörigen. Sie sieht viel Konfliktpotenzial innerhalb von Familien.

Morgenjournal, 17.4.2015

Kriterien müssen klarer sein

Das Thema Erben ist ohnehin ein heikles und der Gesetzesentwurf nimmt dem Ganzen nicht die Brisanz, sagt Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger: "Wir wissen alle aus der Erfahrung, dass wenn es ums Erbe geht, Familien oder Freundschaften zerbrechen und das sollte man nicht mit einem unvorsichtigen Schritt unterstützen. Dass dann ein Streit ausbricht, wer am meisten gepflegt hat oder zu welchem Zeitpunkt wer am meisten gepflegt hat."

Konkret geht es um eine finanzielle Abgeltung aus der Erbmasse, die man beanspruchen kann, wenn man jemanden mindestens drei Jahre vor dessen Tod gepflegt hat. Die Kriterien, wer jemanden wie lange gepflegt haben muss, müssten klarer sein, sagt Birgit Meinhard Schiebel.

Justizminister Brandstetter hat von "aufopfernder Pflege" gesprochen, als er den Entwurf vorgestellt hat. Dieser Begriff habe da überhaupt nichts verloren, sagt Meinhard Schiebel. "In diesem Fall geht es um Fakten, d.h. wie viel Zeit habe ich damit verbracht, wie viel Belastung war mit dieser Erkrankung verbunden und wie war meine eigene Lebenssituation in dieser Situation." Der Begriff "aufopfernd" sei so ähnlich wie "Man muss ein Leben lang dankbar sein" - das seien Kategorien, die da keinen Platz haben, sagt die Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger.

Begleitende Angebote notwendig

Wichtig sei, dass es nicht nur das Gesetz gibt, sondern auch begleitende Angebote. "Wir stellen uns vor, dass zuerst pflegende Angehörige schon in der Beratung während der Pflege informiert werden müssen, dass es diese Möglichkeit der Abgeltung gibt, dass man sie darauf hinweist, dass es eine kostenlose Rechtsberatung gibt und dass sie im Anlassfall tatsächlich Mediationen in Anspruch nehmen können." Die Interessensgemeinschaft schlägt außerdem vor, dass nach zwei bis drei Jahren geprüft wird, ob die Änderung funktioniert - und nicht erst, wie es im Entwurf steht, nach zehn Jahren.

Derzeit werden in Österreich 380.000 Menschen daheim gepflegt und versorgt. 28 Prozent davon werden vom Partner oder der Partnerin gepflegt, 26 Prozent von der Tochter und 13 Prozent vom Sohn.