Marie von Ebner-Eschenbach
2016 jährt sich der Todestag von Marie von Ebner-Eschenbach zum 100. Mal. Drei Germanistinnen - Evelyne Polt-Heinzl, Ulrike Tanzer und Daniela Strigl - arbeiten an einer vierbändigen Werkausgabe. Ein Gespräch mit Daniela Strigl über die Satirikerin, Dramatikerin und weltberühmte Aphoristikerin.
8. April 2017, 21:58
Eine Ausgabe des Werkes von Marie von Ebner-Eschenbach erinnert jetzt daran, dass die Grande Dame der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts auch eine kritische Autorin war, die sich mit den gesellschaftlichen Umbrüchen ihrer Zeit auseinandergesetzt hat.
Kulturjournal, 4.5.2015
Service
Marie von Ebner-Eschenbach gehört zu den bekanntesten und berühmtesten österreichischen Autorinnen. Braucht es wirklich eine Wiederentdeckung?
"Ja, denn sie ist mit wenigen Texten berühmt – jeder denkt an 'Krambambuli' – und in ihrem Gesamtwerk etwas angestaubt. Sie wird weniger gelesen, als erwähnt. Wir wollten einige der wichtigen Texte einem neuen Lesepublikum zugänglich machen."
Was hat uns Marie von Ebner-Eschenbach heute zu sagen?
"Abgesehen davon, dass es ein reines Lesevergnügen ist, hat sie uns einen unmittelbaren, scharfen, kritischen Blick auf die Welt mitzuteilen. In ihren Texten geht es um Empathie mit allen Kreaturen. Sie war eine emanzipierte Frau, hat sich aber nicht öffentlich dazu bekannt. Das war in ihrem Stand, sie war ja Adelige, ein Problem. Aber man merkt es ihrem Texten an: Es ist der Blick einer sehr intelligenten, sehr selbstbewussten Frau, die in ihrem Gestus als Schriftstellerin immer sehr bescheiden aufgetreten ist."
Ist sie auch eine politische Autorin?
"Auf alle Fälle. 'Bozena' zum Beispiel ist der Roman einer Dienstmagd, einer positiven Heldin, die nicht das Opfer der Verhältnisse ist, sondern handelt. Sie bringt die Angehörigen des Bürgertums dazu, zu erkennen, was wichtig ist im Leben. Marie von Ebner-Eschenbach hat sich, gerade was die soziale Frage betrifft, sehr deutlich artikuliert. Es geht bei ihr immer wieder um Angehörige des niederen Standes, die ganz ernstgenommen werden - ohne, dass eine naturalistische Elendsschilderung stattfinden würde. Und sie ist durchaus satirisch in ihren Texten - vor allem, wenn sie ihre Standesgenossen beobachtet."
Sie wollen nicht nur die Satirikerin entdecken, sondern auch die Dramatikerin.
"Evelyne Polt-Heinzl hat gemeint: Wenn man das 'Konzert' von Hermann Bahr wieder aufführt, dann könnte man durchaus Ebner-Eschenbachs Gesellschaftskomödien aufführen. Zum Beispiel die 'Veilchen', ein sehr witziges, zeitlos gültiges Stück. Sie war sehr ambitioniert, wollte der Shakespeare des 19. Jahrhunderts werden. Das hat sie aber nicht erreicht. Sie hat zunächst ernste Dramen geschrieben - z.B. ein Maria-Stuart-Stück -, ihr großes Vorbild war Schiller. Da sie damit kein Erfolg hatte - als Frau war sie sehr angefeindet -, hat sie sich auf Gesellschaftskomödien verlegt, und als auch das nicht wirklich angekommen ist, hat sie mit 45 Jahren begonnen ernsthaft Prosa zu schreiben."
Ebner-Eschenbach steht immer wieder im Fokus der feministischen Literaturwissenschaft.
"Gerade im angelsächsischen Raum hat man sie als die große Autorin des 19. Jahrhunderts, neben Annette von Droste-Hülshoff, wiederentdeckt. Man darf nicht vergessen, dass sie wirklich ein Star war. Damit hat sie sich für die langen Jahre der Erfolglosigkeit schadlos gehalten. Damit hatte sie es in ihrer Familie sehr schwer: Für eine gräfliche Familie, sie kam aus der Familie Dubsky, war das peinlich - eine schreibende Frau, die noch dazu im Feuilleton immer zerrissen wird."