Flüchtlinge in Frankreich

Wie umgehen mit Flüchtlingen - eine gemeinsame Strategie ist in Europa nicht in Sicht. Frankreich etwa hat versucht, die Grenze zu Italien dicht zu machen. Gleichzeitig sieht man am anderen Ende des Landes, an der Küste des Ärmelkanals, dass das nichts bringt. Seit Jahren sammeln sich dort Flüchtlinge, die nach Großbritannien wollen. Zuletzt sind es trotz aller Abschreckung immer mehr geworden, 3.000 Menschen lagern dort, unter unmenschlichen Bedingungen. Die Spannungen zwischen Flüchtlingen, der Bevölkerung und der Polizei werden immer größer.

Morgenjournal, 3.7.2015

Aus Calais,

Seit über zwei Jahrzehnten schiebt man die Flüchtlinge in Calais, die unbedingt nach Grossbritannien wollen, von einem Camp in die nächste Brachlandschaft – doch so schlimm, wie in den letzten Wochen war es noch nie.
Die hygienische Situation in einer Küstenregion voller Zelte und Unterstände, die man den Dschungel nennt, ist seit Wochen katastrophal. Nicht mal die UNO Bedingungen für Flüchtlingscamps in Krisenregionen der 3. Welt sind erfüllt, was die Anzahl von Toiletten, Duschen oder Wasserstellen anfeht.

Die Folge: Hilfsorganisationen wie «Ärzte der Welt» werden in einer Form aktiv, wie sie es sonst nur auf anderen Kontinenten tun. Die Einsatzleiterin: Normalerweise machen wir das in Kriegssituationen oder bei Naturkatrastrophen, wenn die Leute sonst keine Hilfe bekommen können. Eine Krankenschwester: Was wir hier sehen, sind überwiegend Fälle von Krätze in einer sehr schweren Form auf dem ganzen Körper.

Sämtliche Hilfsorganisationen haben jüngst einen dramatischern Hilferuf losgelassen und den Staat aufgefordert, endlich Verantwortung zu übernehmen und das Management der Krisensituation nicht allein den Hilfsorganisationen zu überlassen. Ein Verantwortlicher des Hilfsvereins «Solidarité Internationale»: Wir sind an der Grenze dessen, was wir tun können und wir spüren, dass der geringste Funken, der geringste Zwischenfall, Probleme provozieren kann, auch Gewalt und alles wird sehr schwierig.


Neu ist seit einigen Wochen auch die extrem chaotische Situation auf den Zufahrtswegen zum Hafen von Calais, wo sich aufn Kilometer die Lastwagen stauen und manchmal hunderte Flüchtlinge mit aller Gewalt versuchen, in diese Lastwagen und auf eine Fähre nach England zu gelangen, die Polizei, die schon mehrmals angegriffen wurde, hat jüngst selbst ein Video ihrer Einsätze produziert, um zu zeigen, wie überfordert sie bei ihrer Arbeit ist.
Angespannt ist die Lage auch in vielen Geschäften und Bistrots von Calais. Manche Wirte haben sich mit Tränengas Bomben, ja gar mit Waffen ausgestattet : Es gibt keinen Tag, an dem wir nicht 5 oder 6 Mal die Sicherheitskräfte rufen, das ist unser Alltag, wir arbeiten mit der Angst im Bauch, das ist der Tod unserer Geschäfte, immer weniger Leute kommen rein, wenn sie die Migranten vor der Tür sehen.

Doch es gibt auch andere Töne: eine Rentnerin, die die Flüchtlinge Grossmutter nennen, lädt ihnen in ihrem Haus aberdutzende Handys auf und ist empört über das, was sie in der Stadt zu hören bekommt: Ich hab mit jungen Mädchen geredet, die sagen : oh, diese Migranten, die unsere Stadt verschmutzen. Ich hab ihnen gfesagt, das ist eine Schande so was zu sagen, ausserdem bist du jung und die sind doch auch alle junge Leute.

Die Zentralregierung in Paris, von den Hilfsorganisationen angeklagt, permanent ihre Fürtsorgepflicht zu verletzen, hält sich bislang trotz der angespannten Situation äußerst bedeckt – mit Ausnhame der Ankündigung, man werde bis Ende 2016 im ganzen Land 11.000 neue Plätze für Migranten und Asylsuchende schaffen – doch nichts garantiert, dass dem auch wirklich so sein wird.