Festival d'Avignon - Jubel für illegale Flüchtlinge

In Aubervilliers wurde ein Theaterprojekt mit acht illegal Eingewanderten gestartet: Sie brachten das Stück "81, Avenue Victor Hugo" auf die Bühne. Der Titel ist die Adresse eines besetzten Hauses in Aubervilliers, in dem seit einem Jahr 80 illegal Eingewanderte leben. Nun übernimmt das Theaterfestival von Avignon die Produktion, mit den Flüchtlingen auf der Bühne.

Schauspieler auf der Bühne

Festival d'Avignon

Morgenjournal, 24.7.2015

Aus Frankreich,

In Aubervilliers, gleich hinter der Pariser Stadtgrenze im Norden, steht eines der fünf namhaften, staatlich geförderten Vorstadttheater in der Region Paris. In den letzten Wochen hat es für Aufsehen gesorgt mit einem engagierten Dokumentationstheaterstück. Im Rahmen einer Serie "Theater der Aktualität" standen am Ende einer mehrmonatigen Arbeit acht illegale Einwanderer ohne gültige Papiere auf der Bühne mit ihrem Stück "81, Avenue Victor Hugo" - benannt nach der Adresse des Hauses, das in Aubervilliers seit über einem Jahr von rund 80 illegal Eingewanderten besetzt gehalten wird. Bis 25. Juli ist diese Produktion nun sogar zum Abschluss der Theaterfestspiele in Avignon zu sehen.

Gestrandete erzählen

Sie kommen aus Bangladesh, der Elfenbeinküste und aus Burkina Faso und erzählen - kompakt als Gruppe auf der Bühne, als würden sie einen Choral singen - ihre Geschichten, ihr Leben der letzten Jahre, die endlose, von Gewalt begleitete Reise, ihren Kampf ums Überleben im Mittelmeer. In der alten Immigrantenstadt Aubervilliers, wo seit Beginn des 20. Jahrhunderts Emigranten und Flüchtlinge gestrandet sind und es derzeit immer noch tun. Bis heute heißt hier ein Stadtviertel z.B. "Klein-Spanien".

"Sie kämpfen auf der Bühne"

Olivier Coulon-Jablonka, der Regisseur hat erstmal Wochen lang die Freiwilligen für das Theaterprojekt interviewt, in ihrem besetzten Haus, das den Namen trägt "Ein Leben, tausend Träume", und in dem sie sich nach Monaten-, manchmal Jahre langer Obdachlosigkeit niedergelassen haben. "Es ist per se ein militantes Theater. Die Leute, die auf der Bühne stehen, kämpfen einen Kampf. Es geht auch darum, ihnen einfach das Wort zu erteilen und ihnen die Bühne zu überlassen - auch aus dem Prinzip der Gastfreundschaft heraus", sagt der Regisseur.

Theater als Strategie

Mamadou Diamandé, einer der acht Schauspieler und Sprecher des Kollektivs der illegal Eingewanderten: "Wir haben gekämpft und gekämpft, sind marschiert, haben vor dem Rathaus und vor der Präfektur demonstriert. Mit dem Theaterstück haben wir uns gesagt: Warum nicht auch eine andere Strategie anwenden? Das hat man uns sozusagen angeboten. Wir wollen ein freies Leben führen, wollen Papiere und Wohnung, frei im Kopf sein und gehen können , wohin wir wollen, einfach arbeiten und einfach unsere Steuern zahlen."

"Illegale" als Agenten des Gesetzen

Die beeindruckendsten Passagen dieses Ad-Hoc-Theaterstücks sind die, die das Spießrutenlaufen im Ankunftsland thematisieren: die Angst vor der Polizei, den grotesken Kampf mit den Behörden - nicht umsonst hat man dem Theaterstück Kafkas "Parabel vor dem Gesetz" vorangestellt.

"Viele der Illegalen arbeiten als Wachperonal - sind Agenten des Gesetzes, selbst aber permanent in der Illegalität", erzählt der Regisseur, das wollten wir ins Zentrum rücken. Einer erzählt z.B., dass er als Wachmann in der Präfektur gearbeitet hat, sogar in einem Zentrum für Abzuschiebende, um dort für Sicherheit zu sorgen. Diese Figur des Türhüters vor dem Gesetz ist bei Kafka präsent und begleitet uns durch das ganze Stück.

Publikum und Presse begeistert

"81 Avenue Victor Hugo" ist nicht nur von der französischen Presse sehr wohlwollend aufgenommen, auch die Zuschauer waren äußerst angetan: "Für Amateure ist das wirklich sehr gut." / "Das ist sehr direkt und sehr feinfühlig. Ein starkes Thema und sehr mitreißende Momente." / "Es ist wichtig, so ein Stück zu machen, ich hab so was noch nie gesehen und es kann vielleicht Dinge bewegen."

Sogar der Präfekt der Region hat sich das Stück angeschaut, das den illegalen Einwanderern auch etwas von ihrer Würde zurückgegeben hat. Da sie, die Schauspieler, die jetzt sogar beim Festival in Avignon auf den Brettern stehen, aber Illegale sind, mussten sie am Theater von Aubervilliers auch illegal bezahlt werden - der Eintritt war frei, am Ende wurden Hüte herumgereicht für freiwilliges Eintrittsgeld in bar.

Service

Festival d’Avignon - 81, Avenue Victor Hugo
La Commune - Aubervilliers - 81, Avenue Victor Hugo