Singer-Songwriter John Howard im Porträt

Dass in der Welt der Popmusik die glorreiche Vergangenheit oft mehr zählt als die Gegenwart, haben viele Musiker leidvoll erfahren. Zu ihnen zählt zweifellos auch der britische Singer-Songwriter John Howard. 1975 brachte er sein Debüt-Album "Kid in a Big World" heraus, das ein Flop wurde - auch deshalb, mutmaßt man heute, weil Howard aus seiner Homosexualität kein Geheimnis machte.

John Howard & The Night Mail

PAMELA BERRY

Erst knapp 30 Jahre später wurden die Platte und damit auch der Sänger wiederentdeckt und hymnisch gefeiert. Dieser Tage erscheint Howards neues Album: "John Howard & The Night Mail". Hinter dem Projekt steht der in London lebende österreichische Musiker und Journalist Robert Rotifer, der dafür eine eigene Band zusammengestellt hat.

Kulturjournal, 19.8.2015

Es begann mit einem Interview, das Robert Rotifer mit John Howard vor drei Jahren für seine Sendung "Heart Beat" im Radiosender FM4 führte. Sein Bandbassist Darren Hayman hatte Rotifer auf Howard aufmerksam gemacht. Auf das journalistische Interesse folgte bald die musikalische Annäherung: Für ein Konzert in London trommelte Rotifer zunächst eine eigene Band zusammen, mit dem Paul-Weller-Bassisten Andy Lewis und dem Schlagzeuger Ian Button. Die Zusammenarbeit war derart fruchtbar, dass man sich bald daran machte, gemeinsam neue Songs zu schreiben.

Zeitreise in die englische Popgeschichte

Herausgekommen ist eine akustische Zeitreise in die englische Popgeschichte: in die Ära des Glam-Rock, in der John Howard selbst seine erste produktive Phase hatte, und noch weiter zurück. "Ich habe immer im Stil der 1960er und 70er Jahre geschrieben und nie versucht, das zu ändern", erinnert sich Howard. "Ich war in meiner Jugend ein großer Fan der Beatles und der Beach Boys, The Who oder Solokünstlerinnen wie Dusty Springfield, später von T. Rex und David Bowie. Diese Einflüsse prägen mich bis heute."

Die zehn neuen Songs sind in Gemeinschaftsarbeit entstanden: In einem transkontinentalen Ping-Pong-Spiel zwischen England und Spanien, wo John Howard heute lebt, wanderten Songtexte und Demoversionen hin und her. Trotz der räumlichen Distanz herrschte eine Art blindes Einverständnis, erinnert sich Howard: "Die Burschen waren ja bereits Fans meiner Musik, also hat sich die Zusammenarbeit sehr natürlich angefühlt. Andy Lewis hatte sich mein Debütalbum 'Kid in a Big World' sogar schon in den 80er Jahren gekauft und die Songs als DJ immer wieder aufgelegt - ich hatte keine Ahnung davon. Die drei sind um einiges jünger als ich und haben in die Musik auch Elemente von heute hereingebracht.

Ich finde, das Album lässt sich keiner bestimmten Ära zuordnen. Es trägt die 60er und 70er, aber auch den Britpop der 90er Jahre in sich. Diese Songs hätte ich allein nie schreiben können, aber trotzdem fühlt es sich wie ein John-Howard-Album an."

Schwulenfeindliche Stimmung bei der BBC

Auch die Songtexte stammen von allen vier Musikern, sie handeln von einem Gewitter in Wien, das den Autor wachgerüttelt hat, ziehen pointiert über einen Kontrollfreak oder die After-Work-Trinkkultur in London her oder erzählen, wie ein junger Mann einst die Welt der Popmusik entdeckt und zugleich mit einer rigiden Sexualmoral gerungen hat. Indirekt geht es also auch um die Geschichte von John Howard - jenem Songwriter, der Mitte der 1970er Jahre ein Album produziert hat, das ihn - wie sich Musikkritiker heute einig sind - ganz nach oben hätte katapultieren müssen. Doch es kam anders.

"Radio 1 hat sich geweigert, meine beiden Singles 'Goodbye Suzie' und 'Family Man' zu spielen. Und wer dort nicht vorkam, war weg vom Fenster", sagt Howard. "Das gab mir natürlich das Gefühl, dass keiner meine Musik mochte. 2003 hat man das Album 'Kid in a Big World' dann plötzlich wiederentdeckt und in den Himmel gelobt. Das war sehr irritierend für mich."

Dass der Misserfolg nicht nur auf persönliches Scheitern zurückzuführen war, oder darauf, dass die Songs "zu depremierend" waren, wie es bei der BBC hieß - das wurde John Howard erst später bewusst. Sein Plattenproduzent von damals, Paul Philipps, habe ihm eines Abends klargemacht, dass die schwulenfeindliche Stimmung bei der BBC damals den Ausschlag gegeben habe.

Späte Wiederentdeckung

Homosexualität sollte erst Jahre später für Musikerkarrieren kein Hindernis mehr sein. George Michael oder Rufus Wainwright habe ihr Outing karrieretechnisch wohl sogar genützt, sagt Howard. Er selbst ist in die Musikwirtschaft gewechselt, wo er auch keine Probleme mehr mit Vorurteilen hatte. Mit seiner späten Wiederentdeckung steht John Howard nicht alleine da. Sie zeigt, wie sehr die Popkultur ihre eigene Geschichte idealisiert und Gegenwärtiges oft unbeachtet lässt. Das merkt auch John Howard, der seit seinem Comeback Anfang der Nullerjahre wieder Platten aufnimmt.

"Es ist schwieriger, die Aufmerksamkeit der Leute auf deine neue Musik zu lenken", sagt John Howard. "Sie wollen immer die alten Sachen hören und wünschen sich, dass du selbst in der Vergangenheit bleibst. Derzeit ist es vor allem Robert Rotifer, der den Leuten erzählt, was ich in den letzten zehn Jahren alles gemacht habe."

Mit einer Stimme so hell und kräftig wie jene seines um zwanzig Jahre jüngeren Kollegen Rufus Wainwright demonstriert der 62-Jährige, dass er musikalisch noch viel zu sagen hat. Derzeit plant Bandkollege Rotifer einige Liveauftritte; einer davon könnte John Howard & the Night Mails kommenden Frühling auch nach Wien führen.